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Auftakt: Wipfeld am Main

 12. Oktober 2019 in Deutschland ⋅ ☀️ 11 °C

Unser Stellplatz: Stellplatz Wipfeld

Unterwegs

Das Wetter hat in den letzten Tagen den Ausschlag gegeben. Es geht in den Süden, aber nicht ganz soweit, wie im letzten Herbst. Wir bleiben vor den Alpen. Bayern, bzw. die bayerischen Seen hinter München sind diesem Herbst das Ziel unserer Wahl. So werden wir in den nächsten 14 Tagen „weiß-blaue Geschichten“ über unsere Erlebnisse, Begegnungen und Standorte schreiben.
Bayern ist ein ziemlich weißer Fleck auf unserer Reisekarte. Für ein Wochenende ist es einfach zu weit, und wenn wir mehr Zeit zur Verfügung gehabt haben, sind wir auch gern etwas weiter über die Grenze ins „Ausland“ gefahren. Wobei….dem gemeinen Ostwestfalen, und zu dieser Gattung gehören wir, kommen die Bayern mit ihrer Sprache und ihren Traditionen häufig recht ausländisch vor. Und die Bayern selbst sähen sich auch gern vom restlichen Germany abgegrenzt und eigenständig, was sie uns ja mit ihrer Bezeichnung „Freistaat Bayern“ nur zu gern deutlich machen.
Uns diente Bayern höchstens mal als Zwischenstopp bei Fahrten mit dem Wohnmobil nach Italien oder Kroatien.
Allerdings…..gaaaanz früher, in den Zeiten, wo Wohnmobil und Urlaub eher im Bereich des Wunschdenkens angesiedelt waren, haben wir Bayern, und hier in erster Linie München, schon als Homesitter bei Schwager und Schwägerin kennengelernt. Aber da standen nicht unbedingt genussvolles Erleben von Landschaft und Natur im Fokus unseres Interesses, sondern mehr die angesagten Lokale, Party machen und Shopping in Schwabing. Die Zeiten ändern sich. Nun, über vier Jahrzente später wollen wir Bayern mit anderen, inzwischen mit Brille bestückten Augen, betrachten und erkunden .
So sind wir heute am Samstag gegen neun Uhr gestartet und hoffen, dass der meiste Urlaubsverkehr bereits gestern Nachmittag die Autobahnen schon verstopft hat und die Straßen für uns heute morgen frei sind.
Nach dem gestrigen grauen Regentag zeigt sich der Oktober bei unserem Start sehr lobenswert und urlaubstauglich von seiner goldenen Seite.
Mit dabei ist wieder die „Rote Paula“, die sich ihren Platz im Hänger mit den beiden E-Bikes teilen muss. Mathilde, unser Navi, leistet mit ihrer Ansage: „Es liegen keine Verkehrsbeeinträchtigungen auf der gewählten Strecke vor“, zu dem einen positiven Beitrag zum relaxten Fahren. So geht es ganz Sonnen beschienen über die A2 auf die A33 und weiter Richtung Kassel zur A7.
Wir wollen heute nicht schon bis hinter München fahren, sondern gedenken im Frankenland, in Wipfeld am Main einen Zwischenstopp zu machen. Etwas gespannt sind wir natürlich, ob wir so ohne Weiteres dort am Samstagnachmittag in der Ferienzeit und bei schönstem Herbstwetter mit unserer Entourage vor Anker gehen können.
Während sich Wetter und Landschaft vor Kassel immer mehr zu einem Bilderbuch vereinen, nimmt der Verkehr stetig zu.
Auch reichlich Camping-Fahrzeuge sind wie wir auf der Nord-Südachse unterwegs. Seit der Wohnmobilhype ausgebrochen ist, kann man ja nicht mehr so ganz unbedarft auf Reisen gehen, muss alternativ denken und gegen den Strom schwimmen, damit die Stellplatzsuche nicht zur täglichen Adrenalindosis wird.
Ich mag den Herbst. Er ist so bunt und vielfältig und malt immer wieder neue Bilder in die Landschaft. Selbst das Fahren über die Autobahn beschert uns regelrechte Farbexplosionen am Straßenrand. Das Licht der Sonne ist nicht mehr so grell, sondern taucht alles in milde Wärme.
Kurz vor Schlitz/ Niederaula machen wir eine Pause. Es ist so warm geworden, dass Michael ein kurzärmeliges T-Shirt braucht und ich mich meiner Jacke entledige. Wir haben Glück. Der Parkplatz ist zwar ziemlich voll, aber es sind noch LKW Plätze frei, die wir auf Grund unserer Länge zum Parken benötigen . Das nachfolgende Auto mit Wohnwagen hat weniger Glück und muss weiter fahren. Die „Kasseler Berge „haben es in sich. Teilweise bis zu 7% Steigung/bzw. Gefälle muss das Wohnmobil bewältigen. Gegen 13 Uhr verlassen wir die A7, um auf der Landstraße nach Wipfeld zu fahren. Der Stellplatz in Garsdorf, den wir von der Straße aus sehen können, ist schon ziemlich voll. Am Festplatz in Wipfeld angekommen, finden wie einen super schönen Platz direkt am Main, der letzte in der ersten Reihe. Wie brauchen nicht einmal abzukoppeln. Die 5 Euro Standgebühr bezahle ich kurze Zeit später beim Fährmann an der Mainfähre, die in unmittelbarer Nähe an- und ablegt. Schnell die Stühle vor das Mobil in die Sonne gestellt und unser erster Urlaubstag kann starten bzw. so angenehm weiter gehen. Am späten Nachmittag machen wir einen Spaziergang durch den an diesem Samstag wie ausgestorben wirkenden Ort. Ein nettes Dorf, das mit den Orten an der Mosel durchaus mithalten kann. Eine wunderbare Aussicht hat man von der Kirche auf dem Johannisberg. Leider sind Wolken aufgezogen und so wirkt die schöne Gegend trotz der sommerlichen Temperaturen etwas dunkel. Morgen soll die Sonne den ganzen Tag scheinen und da werde ich noch einmal diese schönen Ecken aufsuchen. Morgen werden wir noch bleiben. Als wir am Abend vom Essen aus dem gemütlichen Gasthof „Anker“ mit seinem regionalen Essensangebot kommen, regnet es. Die Winzerplatte und der Salat mit hausgemachten Bratwürstel waren reichlich und mal etwas Anderes auf der gewohnten häuslichen Speisekarte.

Tag 2 Wipfeld

Main, Wein und Sonne

 13. Oktober 2019 in Deutschland ⋅ ⛅ 19 °C

Morgenstimmung

Ja…..wo fängt man an, wenn man so einen herrlichen Tag inmitten der Natur verlebt hat?
Mit dem Morgen! Denn schon am frühen Sonntagmorgen zeigt ein Blick aus der Wohnmobiltür, dass es sich lohnt, auch die Füße hinaus zu bewegen. Und so stehe ich, wie der Ostwestfale sagt „im Pölter“, der Rest von Deutschland würde, im Schlafanzug sagen, direkt am Main und staune über das Farbenspiel, das Nebel, Fluß und aufgehende Sonne direkt vor mir inszenieren. Weiße Dunstwolken schweben im rosaroten Licht über dem dunkelgrauen Fluß und verzaubern ihn mystisch.
Alles um mich herum scheint noch zu schlafen. So schlüpfe ich, wenn auch zum Leidwesen meines Mannes, mit kalten Füßen, wieder ins Bett. Aber nicht ohne vorher den Kaffee gekocht zu haben.
Eine gute Stunde später sitzen wir draußen beim Frühstück und genießen die Sonne dieses herrlichen Herbsttages, kommen ins Gespräch mit unseren Nachbarn und können den „Neulingen“ noch den einen oder anderen Tipp geben.
Nach den täglichen „Haus- bzw. Wohnmobilaufgaben“ hält mich nichts mehr auf dem Platz. Mit meinen Walkingstöcken geht es hoch auf den St. Johannis-Berg mit dem tollen Blick auf das Maintal und von dort weiter auf dem Panoramaweg in die Weinberge. Dort walke ich nach den Hinweisschildern des „Zehntgrafenweges“. Von keiner Menschenseele gestört, setze ich die Tour fort und entdecke mitten in den Weinbergen die „Zehntgrafenhütte“, die ich spontan aufsuche. Hier bietet sich für Wanderer eine super Möglichkeit zur Einkehr. Ein großer Raum mit Sitzbänken und Tischen lädt zu Rast ein. Sogar eine Toilette ist da. Hier oben kann man super Picknick machen, mit fantastischem Blick ins Tal.
Auf dem Rückweg zum Wohnmobilplatz suche ich nach der einzigen noch offenen Häckerwirtschaft des Ortes und fotografiere schon mal die Speisekarte. Beim Weingut Lothar werden wir heute Abend Essen gehen.
Zwei Stunden später, zurück am Wohnmobil, stehe ich schon mehr oder weniger auf der Verlustliste.
Es ist heiß. Sehr heiß für einen Oktobertag. So wird erst einmal vor dem Mobil im Liegestuhl der Radweg und der Schiffsverkehr beobachtet, und hinter dem Wohnmobil die Newcomer in Augenschein genommen. Zwischen die Neuankömmlinge mischt sich ein eigenartiges Fahrzeug mit sonderbaren Klingeltönen: ein Eiswagen. Schnell steht der halbe Stellplatz Schlange an, um ein Eis zu bekommen. Das Geschäft lohnt sich hier. Das letzte Eis, bevor der Eismann den Platz verlässt, ist unseres. Von wegen Anstehen!
Gegen halb drei holen wir den Roller aus dem Hänger und dann geht es los. Erst einmal die paar Hundert Meter bis zur Wipfelder Fähre. Die „Rote Paula“ fährt zum ersten Mal Schiff. Wenn auch nur knapp 2 Minuten bis zur anderen Fluss Seite. Von dort geht es zum Kloster St. Ludwig, das wir vom Stellplatz aus sehen können und in dem heute ein Frauenhaus untergebracht ist.
Wir schwitzen, weil wir uns viel zu warm angezogen haben. Da kommen uns die kühlen Klostermauern und die Kirche gerade recht. Den schönen Altar bewundern wir in den Kirchenbänken sitzend und machen dabei „cool down“.
Vom Kloster St. Ludwig geht es weiter in Richtung Volkach. In Stammheim fahren wir eine Runde durch die engen Gassen. Ein netter kleiner Ort, der sich leider den Namen mit dem weniger schönen Gefängnis der RAF in Stuttgart – Stammheim teilen muss. Ein toller Biergarten, im dem die Menschen in der Sonne sitzend, Wein und Bier trinken, fällt uns leider erst zu spät auf; da sind sind wir schon daran vorbeigefahren.
Aber die Abfahrt zur Kirche „Maria im Weinberg“ bemerken wir rechtzeitig. Wir parken den Roller und unternehmen einen wundervollen Spaziergang hoch zur Kirchenanlage inmitten der Weinberge mit tollem Blick ins Maintal. Zurück am Roller geht es über „Fahr“ entlang der Mainschleife nach Volkach. Den Roller lassen wir am Rande der Altstadt auf einem Parkplatz stehen. Dann geht es hinein in das Getümmel der Altstadt von Sonntagsausflüglern, Wanderern und Radfahrern, das hin und wieder von fehlgeleiteten Pkws und Skateboards aufgemischt wird. Zwischenzeitlich fühle ich mich ins westfälische Münster versetzt, was die Anzahl der Räder an diesem Tag und diesem Ort betrifft. Wir erfreuen uns an den alten Häusern und fliehen vor den Massen in einen Biergarten, von dem wir uns ganz entspannt das bunte Treiben anschauen können. Einige Zeit später sind wir zurück am Roller und fahren über die Mainbrücke, von der wir einen informativen Blick auf den ziemlich vollen Wohnmobilstellplatz haben.
Dann beginnt eine wunderschöne Fahrt durch Weinberge mit faszinierendem Blick ins Maintal mit seinen kleinen Orten, deren Mittelpunkt die spitzen Kirchtürme sind. Eine kurze Informationsfahrt durch das leere Untereisenheim und den ziemlich vollen Stellplatz am Main an der Fähre in Obereisenheim folgen, bevor wir entlang des Hafens und der Schleuse vom Wipfeld zurück zum Stellplatz fahren. Hier stellen wir erstaunt fest, dass es gegen unsere Erwartung am Sonntagabend noch voller geworden ist.
Unser Abendessen gibt es heute in der Häckerwirtschaft vom Weingut Lothar, das wir anschließend mit dem Roller aufsuchen. Leckere und günstige, regionale Küche mit Wein und Traubensaft aus den gegenüberliegenden Weinbergen runden diesen wunderschönen Tag ab. Noch ein wenig vorm Mobil gesessen, auf die Flusskreuzschiffe geschaut, die am Abend vom Vollmond beleuchtet vorbeigleiten und dann ist es wirklich Zeit, hinein zugehen ins Wohnmobil und den Tag ausklingen zu lassen.

Tag 3: Pilsensee und Schloss Seefeld

 14. Oktober 2019 in Deutschland ⋅ ☀️ 20 °C

Unser Stelllatz: Camping Camping Pilsensee

Scherenschnitt am Pilsensee

Heute wollen wir den schönen Ort Wipfeld am Main verlassen und ins Zielgebiet, zu den fünf bayerischen Seen fahren.
350 km sind zu bewältigen. Wir stehen relativ pünktlich auf und sind um 9.30 Uhr abfahrbereit. Einen kleiner Disput mit Navi Mathilde, das uns jeglicher Eingabe trotzend immer wieder über die A8 nach München schicken will, verhindert die pünktliche Abfahrt. Nur Else, das eingebaute, altersschwache Navi, hat sofort begriffen , dass wir gern eine 10 Minuten längere Fahrt in Kauf nehmen, wenn wir nicht über München fahren müssen. So darf Else heute mal den Weg zeigen, Aber später, nachdem wir stur auf der A7 bleiben, reißt Mathilde wieder die Navigation an sich.
Die Fahrt auf der A7 zieht sich wie Kaugummi. Selbst blauer Himmel, Sonne und Herbstfärbung können nicht von dem hohen Verkehrsaufkommen mit vielen LKWs, Baustellen und Staus ablenken. Sogar das Tanken auf einem Autohof wird zu einem Problem. Bei der Parkplatzsuche stellen wir das Wohnmobil auf den Platz für PKWs und katapultieren uns damit mehr oder weniger in eine Sackgasse, denn die reguläre Ausfahrt ist vielleicht für PKWs noch angemessen groß, nicht aber für ein Wohnmobil mit Anhänger. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als entgegengesetzt zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung den Parkplatz zu verlassen.
Endlich, gegen 14 30 Uhr, und damit fast eine Stunde später als vorher berechnet, erreichen wir den Camping am Pilsensee. Wir können uns einen Platz aussuchen. Die Wahl fällt uns schwer, denn es stehen viele Plätze zur Auswahl. Im Gegensatz zur Hochsaison ist es jetzt Mitte Oktober nicht nur viel, viel ruhiger hier, sondern mit der ACSI Karte ist es eine recht preiswerte Übernachtung. Von hier aus können wir mit dem Roller auch Wörth- und Ammersee besuchen.
Wir sind froh, als der Hänger und das Wohnmobil endlich stehen und wir vor dem Wohnmobil in der herrlichen Herbstsonne sitzen und auf den See schauen können.
Michael möchte sich ausruhen und ich möchte eher das Gegenteil. Gemeinsam machen wir einen Informationsgang über den Platz, bevor sich unserer Wege für die nächsten eineinhalb Stunden trennen. Michael strebt dem Wohnmobilbett zu und ich dem Seefelder Schloss. Nicht allzu weit entfernt von unserem heutigen Standort thront die romantische Schlossanlage malerisch und mit mittelalterlichem Charme im Fünfseenland. Nach einem kurzen Anstieg erreiche ich den noch fast völlig erhaltenen Wirtschaftshof. Hier laden Künstler-Ateliers und exklusive Boutiquen zum Stöbern und Bummeln ein. Vereinzelt sitzen Besucher im Biergarten des Bräustüberls, das auch im Schloss untergebracht ist. Heute ist es relativ leer im Schlosshof, aber ich kann mir sehr gut die Betriebsamkeit während der Saison vorstellen. Das Schloss Seefeld gilt als Mittelpunkt für Kultur und Lebensart am Pilsensee, denn auch viele Konzerte finden hier statt.
Mein Weg führt vom Schloss in eine Gegend mit vielen Einfamilienhäusern. Diese Siedlung könnte auch in jedem anderen Ort stehen. Ein wenig bin ich enttäuscht. Hatte ich doch mit Balkon bestückten und mit Geranien bewachsenen Holzhäusern gerechnet. Auch die Hauptstraße mit Bäcker, Apotheke und Edeka fällt nicht durch Besonderheiten auf. Hier ist es ähnlich wie in Löhne, nur etwas bergiger. Beim Edeka nehme ich Brötchen für den kommenden Tag mit. Dann kehre ich zum Campingplatz zurück. Der See, der im Farbenspiel der untergehenden Sonne ein berauschendes Farbenspiel bietet, entschädigt für die Mittelmäßigkeit des Ortes.
Mit meinem Stuhl und einem Glas Wein setze ich mich an den See und beobachte den Sonnenuntergang, der die Berge wie einen Scherenschnitt an einen rosaroten Horizont heftet. Etwas später setzt sich Michael dazu. Auf dem Steg wird ein Video-Musikclip gedreht. Die sanfte und einfühlsame Musik klingt leise zu uns herüber. Es ist einer jener Augenblicke, die verzaubern. So lange bis die kalte Feuchtigkeit an den Beinen hochkrabbelt und ermahnt, ins Warme zu gehen.

Tag 4: Radeln am Pilsensee und Kloster Andechs

 15. Oktober 2019 in Deutschland ⋅ ⛅ 14 °C

Was will man mehr, wenn morgens beim Aufwachen die Sonne vom blauen Himmel lacht, der See nicht weit entfernt verführerisch im Morgenlicht glitzert und die Silhouetten der Berge sich langsam aus dem Morgendunst erheben? Mehr Urlaubsfeeling geht doch nicht?! Und so werden nach dem Frühstück schnell die Räder fertig gemacht und los geht die Tour um den See. Bloß keine Minute des herrlichen Tages verschenken. Denn der Urlaubstag im Herbst ist kurz. Morgens dauert es gewöhnlich etwas, bis die Sonne die Temperaturen über die Zehn- Grad-Marke geschoben und die Feuchtigkeit der Nacht trocken geputzt hat. Und ab dem späten Nachmittag wird es mit der untergehenden Sonne schnell kühl und früh dunkel. Wen wundert es, wenn wir bereits um 10.00 Uhr mit dem Rad auf dem Weg nach Herrsching sind. Der Radweg führt durch den Wald. Durch den dünner werdenden Blättermantel der Bäume blitzt immer wieder der See in allen Blautönen durch. Ein wunderschönes Bild, wären da nicht die vielen Autos, mit denen wir uns die Straße nach Herrsching, Gott sei Dank zum größten Teil auf einem Radweg, teilen müssen. In Herrsching sind wir bereits am nächsten See, dem Ammersee. Am Seeufer sitzen vereinzelte Sonnenhungrige auf dem Kiesstrand. Ein paar Segelboote dümpeln auf dem fast ruhigen See. Die Saison ist vorbei und die meisten Boote bereits aus dem Wasser gezogen. Der leichte Wind bläst trockene Blätter über die Strandpromenade. Wir lassen den Ort links liegen und nehmen den Fahrradweg zurück zum Pilsensee. Der führt eine ganze Zeit genau an den Bahngleisen entlang. Hier müssen wir uns den Weg nicht mit Autos teilen und die S-Bahn überholt uns nur ein einziges Mal. Dafür geht es durch die farbenprächtige Herbstlandschaft. Auch der Pilsensee ist bald wieder mit von der Partie. Noble Villen mit Seezugang tauchen auf und wir beginnen über den Kaufpreis der einzelnen Objekte zu spekulieren. Nichts, was man mal grad mal aus der Portokasse bezahlen kann. Denn neben der traumhaften Lage am See, ist auch die Nähe zur Landeshauptstadt München nicht zu verkennen. 30 Kilometer und schon ist man heraus aus der Großstadt und in einer anderen Welt.
Unsere autofreie Rundtour neigt sich an der Seestraße langsam dem Ende zu. Das Schloss Seefeld signalisiert, dass wir die Runde um den Pilsensee fast geschafft haben. Fünfzehn Kilometer zeigt der Tacho. War ja nicht ganz so viel, aber schön war’s und es reicht, um ein Stündchen sonnen im Liegestuhl zu rechtfertigen.
Während ich faulenzender Weise der Story meines Hörbuches lausche, ist Michael beschäftigt. Der Hänger muss gedreht werden, damit er den Roller herunterfahren kann, und die Räder sollen wieder auf ihren Platz. Schnell gibt es noch einen Kaffee zum Munterwerden und „:Zwetschen-Datschi“, wie die Bayern zu unserem Pflaumenkuchen sagen. Dann fahren wir mit dem Roller zum Kloster Andechs, das mehr oder weniger gleich um die Ecke liegt. Aber die acht Kilometer haben es in sich. Darin sind ganz schöne Höhenmeter verpackt, besonders im ersten Teil. Aber wir müssen ja nicht trappeln. Damit muss sich „Paula“ , unser Roller, abquälen. Ich genieße die Fahrt über die leere Dorfstraße und den Blick vom Widdersberg auf den See, während Michael sich einmal mehr auf das Fahren konzentrieren muss. Vorbei geht’s am Widdersbergerweiher und der Dorfkirche und von Weitem ist schon der Turm der Klosterkirche zu sehen. Als wir uns dem Kloster nähern, fällt uns zunächst der volle Wohnmobilstellplatz auf. Der PKW- Parkplatz dagegen ist nur moderat gefüllt. Selbst hier haben Womos einen Platz gesucht.
Wir parken unterhalb der Klosteranlage und machen uns auf den steilen Weg zur Klosterkirche. Ein kurzer Blick in den Klosterladen bestätigt unsere Annahme, hier nicht unbedingt ein Mitbringsel zu finden.
Die barocke Klosterkirche jedoch fasziniert. Wir sitzen einige Zeit auf der harten Kirchenbank und lassen den Blick über die ausladende Pracht an Altar und Decke gleiten. Schon krass, (ich benutze Ausnahmsweise einmal die Ausdrucksweise meiner Schüler, um etwas Unvorstellbares zu beschreiben), zu was die Menschen auch schon vor hunderten von Jahren fähig waren, ohne unsere heutigen Möglichkeiten und Hilfsmitten zur Verfügung zu haben. Einfach gigantisch. Und dass hier sogar die Statue des heiligen Michaels zu finden ist, versetzt meinen Michael in der Bank neben mir regelrecht in Begeisterung. Der heilige Michael gilt in der neutestamentlichen Zeit, als göttlicher Beauftragter für Aufgaben, die besonderer Kraft bedürfen. Ob mein Michael das weiß? Ich werde ihn bei der nächsten, passenden Gelegenheit daran erinnern.
Bei der Besichtigung können wir auch auf die Empore. Von dort aus sieht man die Wandmalereien an Decke und Pfeilern noch viel genauer und auch die Orgel mit den vielen großen und kleinen Pfeifen, für deren Renovierung und Erneuerung Paten gesucht werden, ist auf gleicher Höhe gut zu betrachten.
Für einen Euro geht es für mich dann noch ganz hoch hinaus auf den Turm. Ich muss sagen , der Euro ist gut angelegt. Dafür gibt es jede Menge sportliche Betätigung. Auf engen Treppen, die ganz oben in einer Art Einbahnstraßensystem verlaufen, das den Besucherandrang vor Kollisionen mit Sturztendenzen schützen soll, steige ich aufwärts. Trotz deutlicher Hinweise durch gelb -schwarze Warnstreifen schaffe ich es, mir zwei Mal den Kopf zu stoßen, bis ich ganz oben bin. Ein fantastischer Blick über die herbstliche Landschaft mit Ammersee und Pilsensee entschädigt mich für die Kraxelei. Zurück geht es nur mit dem Po voran. Die Treppen sind zu steil und die Stufen sehr schmal. Wir haben eine gute Zeit für den Besuch des Kloster gewählt. Es ist nicht viel los, und so kann ich den Turm mit seinen Treppen ohne Gegenverkehr bewältigen.
Am Ende des Klosterbesuches steht das Verkosten des Klosterbieres auf der großen Terrasse an. Als wir uns das Bier holen, zeigen die Einteilungen durch Bänder, in welchem Umfang hier angestanden wird, wenn es richtig voll ist.
Ist es aber heute nicht und wir müssen weder für Bier, noch für Brezeln, Wurst oder Sitzplatz anstehen.
Als wir später zurück zum Roller kommen, hat es sich schon merklich abgekühlt. Und bei der Fahrt durch Andechs nach Herrsching schwöre ich mir, beim nächsten Mal eine dickere Jacke mitzunehmen.
In Herrsching bummel wir noch ein wenig auf der Promenade am See entlang, über der eine ganz eigenartige Stimmung nach Abschied und Vergänglichkeit liegt. In den Biergärten am See sitzen nur noch vereinzelt Gäste, während von den einst Schatten spendenden Bäumen langsam die Blätter auf die Tische fallen. Einige Lokale haben schon geschlossen. Sehr zu Michaels Leidwesen, der auf einen Leberkäse gehofft hat. Es ist zwar Betrieb, aber ohne Massen und ohne Hektik. Mir gefällt es. Der Wind frischt auf und der See zeigt, dass er auch Wellen kann. Wir fahren zurück zum Campingplatz. Heute ist die Sonne beim Untergang von Wolken begleitet, die es am späten Abend regnen lassen. Morgen bleiben wir noch am Pilsensee und erkunden von hier aus die Orte am Ammersee.