Keine Angst, es wird nicht erotisch. Es geht nicht um das erste Mal, sondern wie es war, das erste Mal mit dem Wohnmobil Urlaub zu machen. Und es war, um es vorweg zu nehmen, einfach nur schrecklich. Aber von Anfang an.
Eigentlich hatte ich mich bis dato immer mit Händen und Füßen gegen Camping jeglicher Art im Urlaub gewehrt. Ich war kein Camper. Und ich wollte schon gar keiner werden.
Im Urlaub brauchte ich 3 Dinge: ein Dach über dem Kopf, ein Bett unter meinem Allerwertesten und eine saubere Dusche. Beschriebene Urlaubsvoraussetzungen waren nur in Ferienhäusern und Ferienwohnungen zu finden.
Dann kam der Sommer, in dem wir unseren Urlaub in einem umgebauten Stall eines alten Bauernhofes in Umbrien verbrachten. Auf dem Weg in den Süden, fuhren wir in der Dunkelheit der Nacht, irgendwo rechts heran, um ein paar Stunden zu schlafen. Wir kauerten uns auf den heruntergedrehten Sitzen unseres Autos zusammen, um eine einigermaßen schlaftaugliche Liegeposition zu finden.
Das Erwachen am nächsten Morgen war eine regelrechte Offenbarung. Damit meine ich jetzt nicht, die Schmerzen in allen Gelenken und im Kreuz, dass uns das Liegen auf den nicht dafür vorgesehenen Sitzen beschert hatte. Nein, damit meine ich das Bergpanorama, dass sich unserem noch vom Schlaf verklebten Augen durch die Windschutzscheibe in einem fulminanten Sonnenaufgang enthüllte. Gigantisch. Dabei hatten wir in der Dunkelheit der Nacht nicht einmal das Vorhandensein auch nur eines Berges bemerkt.
Beim weiteren Betrachten der ungewöhnlichen Morgenkulisse vor dem Auto sagte Irgendwer von uns beiden: „ Wenn wir jetzt noch eine Tasse heißen Kaffees hätten, wäre es fast nicht mehr auszuhalten.“ „Na, Ja und ein Liegestuhl wäre auch nicht zu verachten, dachte ich, und rieb mir das schmerzende Kreuz.
Ich glaube, dass war der Zeitpunkt in dem das Samenkorn des mobilen Reisens in unsere aufnahmebereiten Köpfe gepflanzt wurde und sofort an zu keimen fing
Denn schon gleich im darauffolgenden Herbst mieteten wir uns, mit Freunden, die wir in langen, gemeinsamen Abenden mit der Idee einer Wohnmobiltour infiziert hatten, ein Wohnmobil und machten danach so ungefähr jeden Anfangerfehler; den man machen konnte. Unser gemietetes Mobil für vier Personen war für vier Personen einfach viel zu klein und es war bei der Übernahme vollkommen leer.
So stapelten sich in der Woche vor dem Beginn unserer Tour sämtliche verfügbaren Wäschekörbe in der Wohnung, gefüllt mit allen Dingen, von denen wir annahmen, dass wir sie unterwegs benötigen würden. Die Wohnung sah aus, als wären wir im Begriff auszuwandern. Kleidung für jede Witterung. Im Herbst muss man ja von den ersten Schneestürmen bis hin zu hochsommerlichem Badewetter mit allem rechnen. Küchenutensilien zur Herstellung eines Mehrgang- Menüs, tummelten sich neben diversen Putzmittel. Der Korb mit den Konserven und haltbaren Nahrungsmitteln hätte für eine viel köpfige Expedition ausgereicht. Und da wir auch unsere Tochter, damals noch ein Baby, mit an Bord nehmen wollten, gesellten sich neben Fläschchen, Pampers und Pflegeprodukten auch ein Kinderwagen und eine Babybadewanne. Was muss, dass muss. Das Kind wurde jeden Abend vor dem Schlafen gebadet und damit würde auch im Urlaub keine Ausnahme gemacht werden.
Dann kam der Tag, an dem wir unsere Wohnmobile übernehmen konnten. Michael und unserem Freund Andreas schwirrten die Köpfe von den diversen Anweisungen zu Gas, Wasser, Abwasser, Toilette, Diesel usw.
Ich allerdings bemerkte nur sorgenvoll die wenigen Schrankflächen. Der Alkoven über der Fahrerkabine würde der Schlafplatz für unsere Kinder sein. Wir aber mussten uns abends die Sitzplätze zu einem Bett umbauen. Aber wo lassen wir über Tag das Bettzeug? Das war nur eine von vielen Fragen, vor die wir beim Bestücken des Fahrzeugs mit unserem „Reisegepäck“ gestellt wurden. Nach vielen Hin -und Herräumen haben wir es dann wirklich geschafft, die bereitgestellte Ausrüstung zu verstauen. „Die Schranktüren allerdings, sollte ich besser während der gesamten Fahrt geschlossen lassen. Einmal geöffnet würde ich sie wahrscheinlich nie wieder zu bekommen, dachte ich damals. Endlich war der Abfahrtstermin unsere ersten Wohnmobilfahrt gekommen und wir starteten in Richtung Mosel.
Die Fahrt verlief friedlich. Baby Lena saß in dem ihr zugedachten Kindersitz und der „Große“ hatte seinen damals so aktuellen Gameboy. Alles andere interessierte ihn in den nächsten 6 Tagen eher peripher, es sei denn, es hatte etwas mit Essen zu tun.
In Cochem angekommen wurden wir vor die Herausforderung gestellt einen Parkplatz für zwei Mobile zu finden. An einem Herbstwochenende zur Weinlese eine schwieriges Unterfangen, das letztendlich mit dem Besetzen eines Busparkplatzes endete. Es dauerte dann eine Weile bis alle ausgehfertig waren und wir mit der Stadt-und Burgbesichtigung beginnen konnten.
Auf dem Rückweg von der Burg setzte ein gehöriger Regenschauer ein. Wir wurden alle, einschließlich Baby und Hund, (der gehörte Gott sei Dank ins andere Mobil), triefend nass. Zurück am Wohnmobil drängten alle geleichzeitig aus dem Regen und ins Trockene. Was natürlich überhaupt nicht möglich war. Es ging es nicht vor und nicht zurück, schließlich stand im Mittelgang der Buggy und die Badewanne. So viel war klar: es musste der Reihe nach gehen mit dem Ausziehen. Aber wo hin mit den vielen nassen Sachen? Erst einmal alles in die Nasszelle, die damit ihrem Namen Ehre machte, denn als Badezimmer konnte man diese Kombination aus Dusch-WC-Waschbecken wirklich nicht bezeichnen. Jan-Michel, unser Sohn, fragte etwas ungeduldig nach dem Abendessen. In der Stadt hatten wir ihn und seinen Hunger auf die Rückkehr ins Wohnmobil vertröstet. Baby Lena fand das alles überhaupt nicht mehr lustig und zeigte ihre Sicht der Dinge erst einmal dadurch, dass sie lautstark an zu schreien fing. Immer noch nass mit einem schreienden und sich nicht beruhigen lassenden Baby auf dem Arm, ließ ich mich auf das einzige freie Polster fallen, fing an zu heulen und schluchzte dabei: „Bring mich zum Bahnhof. Der nächste Zug ist meiner.“
Diese Art der Problemlösung war aber nicht im Sinne meines Mannes, der nun mit einem hungrigen 10jährigen, einem schreienden Baby und einer heulenden Ehefrau auch etwas überfordert war, und der erst einmal fluchtartig das Wohnmobil verließ, um in Ruhe bei einem Glimmstängel zu überlegen, was zu tun war. Unterstützung fand er bei Freund Andreas, dessen Problem zwar kein schreiendes Baby aber dafür ein klitschnasser Hund war.
Irgendwie und irgendwann bekamen wir dann doch alles hin. Das große Kind kriegte etwas gegen den größten Hunger, das Baby bekam sein Fläschchen und eine neue Windel und ich meine Tränen und Verzweiflung in den Griff. Wir schafften sogar ein gemeinsames Abendessen mit unseren Freunden im Nachbar-Mobil zu organisieren, bei dem die Speisen durch die geöffneten Wohnmobiltüren weitergereicht wurden.
Am nächsten Morgen machten wir die Erfahrung, dass auf keinen Fall alle Familienmitglieder gleichzeitig aufstehen durften, wollten wir nicht vor dem „Wachwerden“ wieder in ein absolutes Chaos versinken. Nachdem die Reihenfolge geklärt war, wurde unser Bett wieder zum Tisch. Wichtigste Voraussetzung zum Frühstücken. Wir schafften es daran mit 4 Erwachsenen, zwei Teenagern, einem Baby und einem Hund, der musste allerdings unter den Tisch, gemeinsam in einem Wohnmobil zu frühstücken.
So gestärkt und ermutigt ging es an der Mosel weiter durch Luxemburg, Belgien und Frankreich und immer weiter den Atlantik entlang. In dieser Woche sind wir unendlich viel gefahren. Denn wenn das Womo fuhr, hatte jeder seinen Platz und alles war in Ordnung. Kompliziert wurde es immer, wenn wir anhielten, um auszusteigen
Ein sehr großes Problem, war der sich in Windeseile füllende Fäkalientank und im Gegenzug sich leerende Frischwassertank. Wasser erbettelten wir uns beim Tanken oder zapften es auch schon mal an Friedhöfen ab. Das Abwasser bzw. die Fäkalien wollte allerdings niemand haben. Spätestens wenn wir begannen, damit die Straße zu markieren, musste auf einem Feldweg Abhilfe geschafft werden. Geregelte Ver-und Entsorgung? ….Ein Fremdwort. Gab es damals nicht.
Ab 16.00 Uhr begann die täglich Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz für zwei Mobile. Praktisch waren da die Parkplätze an Hallenbädern. Da hatten wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erledigt. Einen Platz für die Nacht und eine saubere Mannschaft. Geduscht im Wohnmobil haben wir nur ein einziges Mal, denn das Entfernen aller in der Nasszelle geparkten Schirme, Jacken usw und der anschließende Aufwand des Trocknens, denn alles einschließlich des Toilettenpapiers war ebenfalls geduscht, stand in keinem Verhältnis zum Duschvergnügen. Aber auch Parkplätze an Friedhöfe, Kirchen, Sportstätten und Schulen stellten sich schnell als geeignet heraus. Wobei wir bei letzterer morgens von schreienden Kindern geweckt wurden. Wir hatten in der Dunkelheit versehentlich Parkplatz und Schulhof verwechselt.
Der Abend jeden Reisetages stand ganz im Zeichen der gemeinsamen Nahrungszubereitung und wurde in den Küchen der Mobile gemeinsam vollzogen. Die Speisen wurden in bewährter Weise von Tür zu Tür weitergereicht.
Das Grillen am Ufer der Loire verlief zunächst ohne Probleme. Aber am nächsten Morgen war der Fluss angestiegen und der Grill, den wir am Ufer hatten stehen lassen, war in den Fluten verschwunden. Das Grillen am Abend hatte sich dadurch erledigt und es gab etwas mehr Platz im Wohnmobil.
Alles in allem war es schon eine sehr abenteuerliche Tour und nach der Woche Wohnmobilurlaub war ich urlaubsreif. Doch trotz allem hatte diese Art des Urlaubmachens uns fasziniert. Jeder Tag verlief anders. Immer wieder wurden wir vor neue Herausforderungen gestellt. So viele Eindrücke stürzten auf uns ein. Und das Gefühl, das sich einstellt, wenn man jeden Morgen wo anders aufwacht, ist einfach unbezahlbar
Aus diesen Gründen wagten wir es im Jahr darauf noch einmal auf Wohnmobiltour zu gehen. Auch wenn das erste Mal etwas gewöhnungsbedürftig war, sind wir seit dem +mit dem Wohnmobil-Virus infiziert und können uns kaum eine andere Art von Urlaub mehr vorstellen. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagte schon Hesse, und dieser Zauber hält uns noch heut gefangen, auch wenn es nie wieder so wunderschön chaotisch wurde wie beim ersten Mal.