Regen, Regen

Bloß mal raus….in die Sonne

25. Februar in Deutschland ⋅ 🌧 2 °C

Leben ist das, was passiert, während Du dabei bist, andere Pläne zu machen.  Dieser Satz von John Lennon drückt unsere ganze momentane Situation aus. Eigentlich wollten wir schon seit 10 Tagen in Richtung Spanien unterwegs sein, aber ein Trauerfall in der Familie- unsere liebe Großtante Herta ist vor ein paar Tagen im Alter von fast 95 Jahren friedlich eingeschlafen- erfordert zurzeit noch unsere Anwesenheit, um den ganzen Nachlass zu regeln. So wird es wohl auch in den nächsten 3 bis 4 Wochen nichts damit, das scheußliche, nasskalte und graue Wetter in Deutschland mit der spanischen Sonne zu tauschen. Anfang der Woche haben wir uns dann entschlossen, unsere Spanienpläne für dieses Jahr ganz zu känzeln. Alle bereits gemachten Reservierungen wurden storniert (wir wollten uns Mitte März mit Jan-Michel, unserem Sohn, in Malaga treffen und dort ein paar gemeinsame Familientage verbringen), und gerade sind wir unterwegs genau in die andere Richtung, immer der Nase nach, an die holländische Nordsee. Dort soll das Wetter in den nächsten Tagen zumindest sonnig sein, wenn auch die Temperaturen nicht unbedingt mit dem Süden konkurrieren können.

Doch der Traum vom Frühling im Süden ist noch nicht ganz ausgeträumt.
Da in ein paar Wochen in Italien auch ganz akzeptable Temperaturen vorherrschen werden, tauschen wir Spanien gegen Italien (diese Tour war eigentlich für das Frühjahr 2023 geplant) und werden, sobald es möglich ist, den Stiefel von Bella Italia ansteuern und uns in Apulien und Kalabrien näher umsehen.

Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich auch in den letzten Wochen ein wenig Bauchschmerzen, wenn ich an unsere Spanienfahrt gedacht habe. Viele Berichte, Videos usw. zeigten übervolle Stellplätze, vor denen Wohnmobile darauf warteten, dass jemand weiterfährt und seinem Platz verlässt. Der Boom auf das Reisen mit dem Wohnmobil wurde durch Corona noch einmal richtig angefeuert, die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente und wollen sich den Traum von Freiheit und Überwintern im Süden verwirklichen, viele junge Menschen praktizieren „Life-Work- Balance“ und sind auf das Leben und Arbeiten im Van gekommen. Marokko steht in diesem Jahr wegen Corona den Überwinterern nicht zur Verfügung. Da ballt sich alles in Südspanien, das wegen seiner geografischen Lage den gesamten Winter und im Frühjahr angenehme Temperaturen verspricht. Ein Magnet für alle, die Wärme und Sonne suchen. Doch überfüllte Plätze, dass ist nicht unbedingt das, was wir uns vom Frühling in Spanien erhofft und vorgestellt haben. Wenn alles nach Spanien fährt, das sind allein aus unserem Bekanntenkreis einige, dann fahren wir eben nach Italien.

Aber soweit sind wir noch nicht. Jetzt geht es erstmal Richtung Norden.
Es regnet, wie soll es auch anders sein, als wir kurz nach 10.00 Uhr den Hof verlassen.
Michael hat als ersten Stopp Bad Bentheim geroutet. Doch während eines ordentlichen Schauers auf der A30, kann ich mit dem Argument bei ihm landen: „Was sollen wir den heutigen Tag mit Regen und Wolken in Deutschland verbringen, wenn gut 250 km weiter in Holland die Sonne scheint?“ Also halten wir hinter Osnabrück und routen um auf Harlingen. Die A30 ist ziemlich voll, und da fällt uns ein, dass ja heute Freitag ist und das Wochenende beginnt. So etwas vergisst man als nicht mehr im Beruf stehender Mensch schon mal. Auf der A31 zeigt sich bereits ein wenig blauer Himmel und es dauert nicht lange, da ist auch die Sonne mit von der Partie. Auch wenn die Wolken sich noch nicht ganz vertreiben lassen, sieht alles gleich viel freundlicher und schöner aus. Doch kaum sind wir über die niederländische Grenze gefahren, kommt heftiger Wind auf, der das Womo rüttelt und in seinem Gefolge eine schwarze Regenwand hat, die alles verdunkelt, als wolle es Nacht werden. Während wir auf der N381 Richtungen Groningen fahren, tobt sich ein richtiges Unwetter mit starkem Windböen über uns aus. Als es sich ausgetobt hat, ist die Welt wieder in Ordnung und blauer Himmel geleitet uns bis auf in den Fischereihafen von Harlingen. Michael hat Bedenken, weil es nur 12 Plätze gibt, weil dazu noch Freitag ist und in den Niederlanden Frühlingsferien sind , aber der Stellplatz ist fast leer. Nur zwei Mobile stehen auf dem Platz an der Fahrrinne. Wir reihen uns ein und sind total begeistert von dem Stellplatz mit Blick aufs Wasser. Dazu blauer Himmel und Sonnenschein…..Herz was willst du mehr.

Harlingen

 25. Februar 2022 Niederlanden ⋅ ☀️ 6 °C

Unser Stellplatz:

Nieuwe Vissershaven 17
Harlingen, Niederlande
8861 NX

Stellplatz im Hafen

Nun sind wir statt in Bad Bentheim in Harlingen gelandet, und selbst mein Mann muss eingestehen, dass das eine gute Idee war, denn besser geht es im Moment wirklich nicht. Ich besorge ein Parkticket für 24 Stunden am Automaten. Das geht super mit der EC Karte. Der Stromautomat ist noch gut gefüttert vom Vorgänger.
Und dann hält mich nichts mehr im Wohnmobil. Es gilt Hafen und Stadt zu erkunden. Michael, der immer etwas länger braucht, um anzukommen, will sich inzwischen ausruhen. Er will sich später alles ansehen. Mein erster Gang führt in den Fischereihafen. Der liegt quasi gegenüber. Welch ein herrliches Bild. Die bunten Fischkutter unter dem blauem Himmel im blauen Wasser. Lustig flattern die Fahnen an den Schiffsmasten und unterstreichen das Heulen des Windes mit ihrem Geklapper. Der Wind zerzaust mir das Haar und weht es mir ins Gesicht. Die Luft schmeckt nach Salz und Tang und über allem liegt das heisere Gekrächze der Möwen. Wie gut das tut nach all den grauen und nassen Tagen im Januar und Februar. Und als hätte das Universum meine Sehnsucht nach Farbe und Sonne vernommen, schickt es mir als Sahnehäubchen noch einen Regenbogen, der sich weit über den Hafen spannt und in einer Wolke verschwindet.

Im Fischerei-Hafen, einer von sechs Häfen in Harlingen, liegen große Schiffe, die ihren Fang wohl bereits an die umgebenden Fischhallen abgeben haben. Den freitäglichen großen Fischmarkt in Harlingen haben wir knapp verpasst.
Nach dem Fischereihafen geht es über die Klappbrücke, die wir toll aus dem Womofenster beobachten können, in die Altstadt. Dafür ist nur ein kurzes Stück zu gehen. Harlingen gehört auch mit zu den 11 berühmten friesischen Städten, von denen man sagt, dass sie kleiner als manche Dörfer sind und ihren Titel nicht wegen ihrer Größe, sondern wegen ihrer historischen Bedeutung tragen. Es gibt eine Wohnmobiltour, die alle elf friesischen Städte verbindet:

Wohnmobiltour durch alle elf friesischen Städte


In keiner anderen Stadt gibt es, auf die Fläche berechnet, mehr historische Bauten, als in Harlingen. Über 500 sollen es sein. Kurze Zeit später bin ich mittendrin in Harlingen und kann mich nicht sattsehen an den kleinen Häusern, den Grachten, den Kanälen und Häfen. Über die Rathausbrücke komme ich zum Rathaus mit der vergoldeten Inschrift. Historische Schiffe liegen gegenüber in der Gracht. Von weitem lenkt das Hotel Zeezicht die Aufmerksamkeit auf sich. Dort angekommen, liegt rechter Hand der Fährhafen, von denen Fähren zu den Inseln Terschelling und Vlieland auslaufen. Morgen ist auch noch ein Tag, an dem ich mir den Fährhafen und die Umgebung näher anschauen kann, denke ich und laufe Richtung Zuiderhaven. Hier liegen unzählige Plattbodenschiffe, und auch die Rundfahrtschiffe gehen von hier ab. Durch die Einkaufsstraße mit den vielen kleinen Läden, Cafés und Bars geht es wieder zurück zum Rathaus. „Oh mein Gott, da gibt es morgen aber noch viel zu erkunden,“ denke ich, als ich mich wieder, mit ordentlichem Kaffeedurst, zum Wohnmobil zurück bewege. Aber ich muss mich noch etwas gedulden, denn mich und der aufwärmende Kaffee trennt die gerade hochgezogene Klappbrücke. Also bekommt mein jetzt hoffentlich ausgeruhter Mann eine WhatsApp, dass er schon mal Kaffee kochen soll. Dann winke ich ihm von der Brücke aus zu.

Aufgewärmt und etwas ausgeruht, geht es später noch einmal auf dieselbe Tour. Dieses Mal allerdings in Begleitung. War es die Sonne, meine begeisternde Erzählung oder die Möglichkeit, unterwegs frische Kibbeling zu bekommen, die sich als Motivator auswirkten? Egal, Michael begleitet mich dieses Mal und im Schein der tief stehenden Sonne, erscheinen die Ecken und Winkel der Stadt in einem ganz besonderen, geheimnisvollen Licht. Wir finden einen Stand mit Kibbelingen, die wir sofort auf der Hand essen. Das Abendessen kann ausfallen. Gut gesättigt geht es zurück zum Wohnmobil, während die untergehenden Sonne den Hafen und das Wasser verzaubert. Das war doch schon mal ein echtes Highlight heute, denke ich und schaue aus dem Womofenster dem Verkehr auf der Brücke und dem auf der Fahrrinne zu. Es hupt durchdringend. Die beleuchtete Fähre läuft aus. Welch ein Anblick am Abend.