Sommer 2019 Wohnmobiltour durch das Baltikum

Tag 7: Von Dreverna nach Verbejnieki

 19. Juli 2019 in Lettland ⋅ ⛅ 18 °C

Unser Stellplatz: Camping Verbejnieki

Schönstes Bilderbuchwetter herrscht, als wir am Vormittag abfahrt bereit sind. Kurz bevor wir starten, fährt ein Bulli mit Herforder Kennzeichen auf den Platz. Wie es sich bei einem kurzen Gespräch herausstellt, kommt die Besatzung aus Löhne Obernbeck. Die Welt ist schon manchmal klein. Wir werden noch mit ein paar Tipps versorgt, was den Aufenthalt in Tallin und Riga betrifft, und dann fahren wir los. Michael hat einen Campingplatz in der Nähe von Liepaja, direkt an der Ostsee, herausgesucht. Dort wollen wir heute hin. Aber zunächst müssen wir wieder zurück nach Klaipeda. Über die holprige Straße und durch die unübersichtlichen Kreisel, bevor wir über die gut ausgebaute A13 weiter nördlich fahren können. Doch die Ruhe dauert nicht lange. Mathilde, unser Navi, meldet sich und verkündet, dass die A13 gesperrt ist. Sie will uns an der nächsten Ausfahrt ableiten und einen großen Bogen über Kretinga schlagen. Nirgendwo haben wir Hinweisschilder über eine Sperrung gesehen, und deshalb ignorieren wir Mathildes Anweisung einfach. Doch mit ungeahnter Hartnäckigkeit wiederholt sie die Anweisung bei jeglicher Möglichkeit abzufahren oder zu drehen. Sie nervt so lange, bis die Autobahn einspurig wird und dann wegen der Vollsperrung eine Umleitung eingerichtet ist. Erst auf der Straße nach Palanga gibt sie sich zufrieden und nimmt ihre normale Navigation wieder auf. Wir fahren mitten durch Palanga, einem gepflegten Badeort. Palanga ist DER Badeort Litauens und hat sogar einen Flugplatz. Palanga bedeutet in der kurischen Sprache“ Am Sumpfloch“. Doch das ist heute nicht unser Ziel. Wir wollen noch etwas weiter. Von Palanga sind es noch gut 20 km bis zur lettischen Grenze. Lettland, das landessprachlich „Latvia“ heißt. Die lettischen Autos haben die Abkürzung“ LV“. Der Grenzübergang vollzieht sich fast unbemerkt, da das Baltikum in der EU ist. Kurz nach der Grenze kommt eine, für uns gut gelegene Tankstelle, und wir beschließen zu tanken. Da heißt es sich erst einmal zu orientieren, was Benzin und Diesel ist. Wir gehen davon aus, dass das D auf den Zapfhähnen für Diesel steht. Aber es gibt „D“ und „DD“ . Wir entscheiden uns für „D“ , auch wenn „DD“ viel günstiger ist. Beim Bezahlen erfahre ich, dass „DD“ für landwirtschaftliche Fahrzeuge wie Traktoren ist. Alles richtig gemacht. Die weitere Fahrt Richtung Liepaja führt über eine nagelneue und schnurgerade Landstraße, die durch das Naturschutzgebiet von Pape führt. Ein ca. 57 km² großes Gebiet um den sumpfigen Papesee mit seinen Mooren und Sümpfen. Kilometer um Kilometer nichts als Wald. Irgendwie tun mir die Radwanderer auf dieser Straße leid, die stundenlang mit der gleichen Aussicht trampeln. Wir kommen an mehreren Hinweisschildern zu Camps an der Ostsee vorbei. Endlich kommt auch das zum Camp Verbejnieki. Eine kleine Straße führt bis zu einer Schranke. Und nun? Die Anweisungen auf lettisch verstehen wir nicht und drücken einfach auf einen Knopf. Prompt fällt ein kleiner roter Plastikchip heraus und die Schranke öffnet sich. Wo ist denn hier bloß die Rezeption? Suchend schauen wir uns um und lassen das Wohnmobil erst einmal stehen, wo es ist. Ein kleines Stück weiter auf einer Wiese befinden sich Campingfahrzeuge. Dorthin gehe ich und wende mich in Englisch, wie ich es immer in einem Land mache, dessen Sprache ich nicht spreche, an einen dickbäuchigen Letten, der vor seinem Wohnwagen sitzt. Auf mein: „Do you speak English?“, schüttelt er den Kopf und sagt in etwa, er spräche nur lettisch. Aber verstanden hat er mich schon. Dann bietet er mir an, die Unterhaltung auf russisch weiter zu führen. Ich schüttele meinerseits den Kopf und sage: „Sorry! Leider spreche ich nur deutsch, englisch, französisch, etwas italienisch und auf spanisch könnte ich auch noch guten Tag sagen.“ Auch das hat er verstanden und sagt zu mir auf englisch!!!, er wäre Lette und wenn jemand etwas von ihm wolle, solle er gefälligst lettisch oder russisch sprechen. Ich wende mich kopfschütteln ab. So viel Unfreundlichkeit und offensichtliche Ablehnung habe ich im Ausland noch nie erlebt. Bei dem scheint die EU noch nicht angekommen zu sein. Aus dem deutschen Wohnmobil gegenüber kommt eine Frau, die uns dann die gewünschten Auskünfte gibt.
Wir fahren das Wohnmobil auf die Wiese und gehen in die Gastronomie, die auch gleichzeitig Rezeption für die Campinggäste ist. 19 Euro kostet der Platz mit Strom. Wir bekommen eine Quittung fürs Wohnmobil und einen neuen Plastikchip für die Ausfahrt. Danach gehen wir auf Stellplatzsuche. Drei verschiedene Plätze gibt es in der Anlage. Der obere ist bereits ziemlich voll. Der zweite liegt im Kiefernwald und der dritte auf einer Wiese zum Strandübergang. Hier ist noch reichlich Platz. Den nehmen wir. Als wir Wohnmobil und Hänger stehen und uns eingerichtet haben, gehe ich auf Entdeckungsreise durch die Anlage und zum Strand. Ich bin begeistert. Mit wieviel Liebe zum Details hier alles angelegt ist, damit es vor allem auch Familien mit Kindern gefällt. Nicht nur, dass es einen tollen Spielplatz mit allen erdenklichen Geräten gibt, es gibt sogar einen Streichelzoo.
Überall findet man Picknickbänke und Feuerstellen Der urige Biergarten hat extra Hütten zum Einkehren, Liegen, Terrassen und , und, und.
Der kilometerlangen, weißen, feinkörnigen Sandstrand, den man durch ein kleines Wäldchen nach nur 50 m erreicht, erscheint menschenleer. Und das bei Superwetter mitten im Sommer. Wir freuen uns über diesen schönen Platz, und es steht sofort fest, dass wir hier mindestens 3 Tage bleiben werden.

Tag 8: Sonne und Strand in Verbejnieki

 20. Juli 2019 in Lettland ⋅ ☀️ 20 °C

Super Sommerwetter. Gestern ist es noch heftig voll geworden auf dem Platz. Ganze Heerscharen an Iglu-Zelten bauten sich in Wiese und Wald auf. Familien kamen mit Pavillons, Zelten und Autos. Im Hänger die guten Holzgartenstühle vom Balkon und die Axt zum Holz zerkleinern. Nach kurzer Zeit lag ein Geruch nach verbranntem Holz und gegrilltem Fleisch über dem Platz.
Wir sind zum Essen in die Gastronomie gegangen. Im Biergarten war viel Betrieb. Ein Gitarrist spielte alte Dylon-Songs zur Unterhaltung. Das Bestellsystem funktionierte gut. Wenn man endlich an der Reihe war, die Bestellung aufgegeben und bezahlt hatte, wurde das Essen schnell gebracht. Es war sehr gut und die Preise klein.


Als die Sonne unterging, trafen sich viele am Strand. Auch wir gingen zum Strand und schauten der Sonne zu, wie sie langsam im Meer versank. Noch bis spät in die Nacht hörte man Gespräche, Musik und sah die kleinen Feuerchen glühen.
So wuselig es am Freitagabend auch war, jetzt am Samstagmorgen ist es schon viel ruhiger. Die ersten Feuer brennen für die Zubereitung des Frühstücks, und die ersten Frühaufsteher kommen vom Bad in der Ostsee zurück. Das tolle Wetter hat viele Wochenendurlauber angelockt. Sehr viel Fahrzeuge aus Litauen sind zu sehen. Auch für uns ist heute ein Strandtag an dem herrlichen Ostseestrand geplant. Die Wassertemperatur liegt um 20 Grad. Es ist herrlich, wenn man am Strand liegt und “ beim Schwitzen friert“.


Obwohl der Campingplatz gut ausgelastet ist, verlieren sich die Menschen am Strand. Nur ein paar 100 m vom Übergang entfernt, ist er menschenleer. Wir machen einen langen Strandspaziergang, fotografieren Muscheln, Federn und Holz, das angeschwemmt worden ist.
Am späten Nachmittag fahren wir mit dem Roller zum Einkaufen nach Liepaja. Der Weg dorthin führt über die schnurgerade A13. Auch Fahrräder müssen diese stark befahrene Straße ohne Radweg nehmen, wenn sie nach Liepaja wollen. Erst kurz vor Liepaja gibt es dann einen Radweg. Es fährt aber auch ein Bus in die 12 km entfernte Stadt. Die Bushaltestelle befindet sich direkt an der Zufahrt zum Campingplatz. Wenn es nichts gibt, außer Natur satt, eine Bushaltestelle ist immer irgendwo zu finden.
Der große Supermarkt Maxima hat an 7 Tagen in der Woche bis 22 Uhr geöffnet und es gibt so ziemlich alles. Die Preise für Westprodukte sind etwas höher, die einheimischen und russischen Produkte billiger als zu Hause.


Heute Abend grillen wir auch und ein Bummel über den Platz und ein paar nette Gespräche mit deutschen Wohnmobilisten, bei denen es wieder Tipps und Infos gibt, beschließen diesen schönen Urlaubstag.

Tag 9: Liepaja-Eindrücke und Gedanken

 21. Juli 2019 in Lettland ⋅ ⛅ 25 °C

Hafen Liepaja

Wir haben mal wieder viel zu lange geschlafen. Es ist schon halb 10 Uhr nach lettischer Zeit, als wir die Jalousien hochziehen. Die Sonne ist da, und der Himmel ist blau, aber es ist schwül warm. Das ändert sich, als wir beim Frühstück sitzen. Von Süden kommt eine Wolkenwand auf uns zu, die Schauer und Gewitter mitbringen soll. Wir beeilen uns mit dem Frühstück, weil wir heute Liepaja besichtigen wollen. Und das wollen wir möglichst mit Sonnenschein machen. Um uns herum bemerken wir Aufbruchstimmung. Es wird abgebaut und zusammengeräumt.
Mit dem Roller fahren wir nach Liepaja und suchen im Hafen einen Parkplatz. Irgendwie bin ich von Häfen einen anderen Anblick gewöhnt. Der „Karosta“ (Kriegshafen) – entstanden als Militärstadt und Festung des russischen Zars Alexander III. Heute liegen im Hafen eine Menge grauer Marineboote, zwischen denen ein paar Segelboote mit ihren weißen Segeln das eher triste Bild des Hafens auflockern. Am Rande stehen alte Speicher, die zum Teil restauriert und zu modernen Luxusrestaurants umgebaut, zum Teil aber auch noch sehr renovierungsbedürftig sind.
Auch einige der schönen Holzvillen aus der Gründerzeit sind wundervoll renoviert und erstrahlen in neuem Glanz. Viele der alten Häuser liegen allerdings noch im Dornröschenschlaf und warten auf Investoren. Die Stadt ist dabei, ihre sozialistische Vergangenheit abzustreifen. Moderne Bauten, wie das Konzerthaus in der Nähe des Hafens, halten Einzug ins Stadtbild. Lettland hat sich genau wie Litauen und Estland aufgemacht, sich westlich zu orientieren. Die schönen alten Jugendstilvillen sind während der sowjetischen Zeit dem Verfall ausgesetzt gewesen. Jetzt bemüht man sich, sie Detail genau zu renovieren. Der Stadteingang ist geprägt von Plattenbauten, die ziemlich schäbig aussehen und die Stück für Stück renoviert werden. Von unseren Nachbarn haben wir einen Stadtplan geschenkt bekommen. Auf dem sind die interessanten Straßen eingezeichnet. Dem Plan folgen wir und gelangen zur Tourist- Info. Dort versorgen wir uns mit weiterem Informationsmaterial. Gleich nach der Tourist-Info beginnt die Ehrenallee der lettischen Musiker. 35 Tafeln mit Handflächenabdrücken von Musikern in Bronze, 10 Tafeln für bestehende und ehemalige Musikgruppen und 5 Tafeln für verstorbene Musiker bilden eine lange Reihe. Als nächstes erreichen wir den Petertirgus-Markt. Dort ist heute, wie auch an jedem anderen Tag, Markt. Fast alle Stände sind besetzt und bieten Obst und Gemüse in großen Mengen an. Auch Kleidung und Haushaltswaren warten auf Käufer. Wer soll das alles kaufen? Anrührend sind die selbst gebunden Sträuße aus Wicken, Margeriten und anderen Blumen aus dem eigenen Garten, die für 50 Cent angeboten werden. Da muss man viel verkaufen, um auf einen halbwegs akzeptablen Gewinn zu kommen. Und das alles an einem Sonntag. Der Duft reifer Erdbeeren steigt uns in die Nase. Wir kaufen ein Pfund und können auch den dicken, schwarzen Kirschen nicht widerstehen. Dann lachen uns die Pfifferlinge an, die an jedem zweiten Stand , genau wie auch Heidelbeeren, angeboten werden. Ein Beutel Pfifferlinge für das Abendbrot muss auch noch mit. Wir entdecken in einem schön restauriertem Haus den Eingang zur Markthalle. An den Ständen hier wird Fleisch verkauft. Lange Kühltheken mit überwiegend Schweinefleisch und Geflügel. Rindfleisch oder gar Fisch sind wenig oder gar nicht vertreten. Manche Lebensmittelstände muten an wie frühere „Tante Emma Läden“.
Hinter den Markthallen, die die hübschesten in ganz Europa sein sollen, befindet sich die römisch-katholische St.Josefs Kathedrale, eine Bischofskirche im neuromanischen Stil, eine von den drei Kathedralen rund um den Markt. Die Heilige Dreifaltigkeitskathedrale beherbergt die derzeit gewaltigste mechanische Orgel in unsaniertem Zustand. Als wir die Josefs-Kathedrale betreten, schlägt uns heftiger Weihrauchgeruch entgegen. Es folgen ein paar Minuten der Besinnung auf den Holzbänken, bei denen wir das Innere der Kirche betrachten, bevor wir auf einer Bank im Kirchgarten eine kleine Pause machen und von den Kirschen naschen. Der Weg führt uns weiter zum See-Side-Park. Liepaja wird auch die Stadt des Windes genannt. Auf alle Fälle ist Liepaja auch die Stadt der Musik, wie die Statue eines Schlagzeuges am Eingang des Parks sowie die vielen weißen Noten auf dem Gehweg uns verdeutlichen. Überall weisen Plakate auf das Musikfestival für moderne Musik hin, das im August stattfindet, und das das Größte seiner Art in Lettland ist. Sehenswert ist die neue Konzerthalle, die „Bernstein“ genannt wird. Wahrscheinlich wegen ihrer runden Form und ihrer Bernstein-Farbe. Für mich sieht sie eher aus wie ein „Hotpott“, die runden Holzfässer auf den Campingplätzen, die im Winter angeheizt werden und Badevergnügen im Freien bieten. Im Park kehren wir in einem Biergarten ein. Der Park ist gut besucht. Es ist Sonntag und die Menschen nutzen die Freizeitmöglichkeiten, schieben Kinderwagen, führen Hunde oder die neueste Kleidung aus. Einheimische und Touristen kann man ganz gut unterscheiden. Während sich die Einheimischen sonntäglich herausgeputzt haben, fallen die Touristen durch Rucksäcke und Funktionskleidung auf. Vom Park geht es entlang wunderschöner Holzhäuser, größtenteils allerdings noch unrenoviert, wieder zurück zum Hafen. Dieses Nebeneinander von neu und modern und alt und verfallen zeigt die ganze Zwiespältigkeit. 30 Jahre reichen nicht um, die Hinterlassenschaften der Sowjetunion wegzuräumen, aufzuräumen und zu reparieren. In mehreren Gesprächen haben wir erfahren, dass es hier ein großes Spannungsfeld innerhalb der Bevölkerung gibt. Die Menschen haben Angst, wieder von Russland anektiert zu werden und ihre gerade gewonnen Freiheiten zu verlieren. Diese Angst schürt auch ein Teil der Bevölkerung. Ca. 40 Prozent der Bevölkerung im Baltikum sind Russen und viele davon sind „Pro Putin“ eingestellt. Die Russen haben während ihrer Herrschaft viel Angst und Schrecken verbreitet. Viele Menschen sind inhaftiert, deportiert oder getötet worden. Und diese jüngste Vergangenheit haben die Menschen noch nicht vergessen. Genau davon hat auch unser Taxifahrer Jani bei der Fahrt über die Nehrung gesprochen.
Wir fahren zurück auf der aus EU-Mitteln super ausgebauten Straße. Für Radfahrer allerdings ist diese stark befahrene Straße ohne Radweg, auch wenn sie Kilometer lang durch die Natur geht, nicht unbedingt schön zu fahren. Allerdings gibt es alle ein bis zwei Kilometer eine Bushaltestelle. Sogar direkt vor der Einfahrt zum Campingplatz. Das scheint mir eine gute Alternative zu sein.
Der Campingplatz hat sich in unserer Abwesenheit sehr geleert. Die letzten Wochenendausflügler packen zusammen.
Jetzt heißt es erst einmal unsere Einkäufe zu versorgen und die Pfifferlinge zu putzen. Bandnudeln mit Pfifferlingen soll es heute Abend geben. Aber vorher muss ich noch unseren Aufenthalt um einen Tag in der Gastronomie verlängern. Im Biergarten gibt es Live-Musik, Fassbier und Kartoffeln, Würste und Fleisch aus einer Riesenpfanne. Sie lassen sich ganz schön was einfallen. Und es wird angenommen. Der Biergarten ist voll.
Nach dem Kaffeetrinken brauche ich noch etwas Bewegung. Ein Strandspaziergang entlang des fast menschenleeren Strandes ist genau das Richtige. Es ist herrlich an der Wasserkante entlang zu laufen. Die Füße vom Wasser umspült, umweht vom kühlen Wind und mit dem sanften Rauschen der Wellen im Ohr, können auch die Gedanken spazieren gehen. Ich bemerke gar nicht wie die Zeit vergeht. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich schon über eine halbe Stunde unterwegs bin. Ich kehre um und laufe zurück, kann aber in der Dünenlandschaft mit dem Kiefernwald dahinter, die sich etliche Kilometer gleichförmig dahin zieht, nicht den kleinen Pfad zurück zum Campingplatz finden. So was kann auch nur mir passieren. Ich laufe mindestens 2 Kilometer daran vorbei. Eine Frau, die mit ihrem Hund spazieren geht, erklärt mir, wo sich der Übergang zum Campingplatz befindet. Super! Verlaufen am menschenleeren Sandstrand. Der „Spaziergang“ hat so lange gedauert, dass das Abendessen reduziert werden muss. Es gibt nur noch Pfifferlinge mit Brot.

Tag 10: Ventspils – Badeort mit Se(h)ekühen

 22. Juli 2019 in Lettland ⋅ ☁️ 18 °C

Unser Stellplatz: Camping Ventspils

Kühe in Ventspils

Wir brechen ganz entspannt am Morgen von Verbenieki auf. Mit uns noch zwei weitere Wohnmobile. Gleich beim ersten Wohnmobil öffnet sich die Schranke nicht. Der Einfahrtchip wurde nicht umgetauscht. Mit dem Chip, den man bei der Einfahrt erhält, kommt man nicht heraus. Das Wohnmobil muss zurück und die dahinter stehenden Fahrzeuge auch. Das fängt ja schon gut an. Wir fahren durch Liepaja und dann folgen etliche Kilometer Wälder, manchmal unterbrochen von Wiesen und wenigen bestellten Feldern. Abwechslung in die Fahrt bringen nur die regelmäßig auftauchenden Baustellen und der Straßenbelag, der je nachdem, ob die Baustelle schon da war oder erst noch kommt, von super bis Schlaglochpiste wechselt. In dieser Einsamkeit sieht man hin und wieder Menschen am Straßenrand, die Pilze oder Beeren sammeln. Und Störche gibt es wieder jede Menge zu sehen. Einer kommt bei seinem Landemanöver unserem Wohnmobil gefährlich nah. Beinah hätten wir eine neue Kühlerfigur gehabt. Der Schreck sitzt beiden Seiten in den Gliedern bzw. im Gefieder.
Das Bild ändert sich schlagartig, als wir das Ortseingangsschild von Ventspils passiert haben. Gepflegte Häuser an einer gut ausgebauten Straße empfangen uns.
Der Campingplatz, den wir ansteuern, ist ziemlich neu. Eine farbig gestaltete Kuh empfängt uns gleich bei der Ankunft. In einer parkartigen Landschaft eingebettet, gibt es drei separate Plätze für Wohnmobile und Wohnwagen, die Strom und Wasser am Platz haben, und von denen einer mehr im Wald liegt. Für die Zelter steht ein ganzer Wald zur Verfügung. Und wären da nicht überall kleine Schildchen, die die Plätze markieren und die Wifi Masten, könnte man meinen, die Zelte ständen wild in freier Natur. Freies Internet gibt es überall auf dem gesamten Camping.
Wir finden schnell einen Platz. Noch haben wir freie Auswahl, aber das ändert sich im Laufe des Nachmittags. Ein Wohnmobil nach dem nächsten kommt, und mit dabei sind auch einige bekannte von der Fähre oder dem Platz davor.
Kurze Zeit später befinde ich mich schon auf einem Spaziergang in die Altstadt und den Hafen. Michael hat keine Lust mitzukommen. Er hat bereits mit mir einen großen Erkundungsgang über den Platz gemacht und will sich die Stadt für morgen lassen.
Die Haupteingangsstraße ist eine Allee mit gepflasterten Rad- und Gehwegen. Ich habe das Gefühl durch einen riesigen gepflegten Park zu laufen, überall Wiesen, Blumenbeete, Wäldchen und gepflegte Anwesen. Ventsplits oder Windau, wie es früher hieß, ist 130 Km von Liepaja und 190 km von Riga entfernt. Leider ist es heute trotz der Wärme bewölkt. Aber im Laufe des Spaziergangs zeigt sich schon wieder blauer Himmel. Auch in diesem Ort sehe ich wieder aufwendig restaurierte Holzhäuser neben verfallenen und verbarrikadiert Gebäuden.
Mit den Letten tue ich mich etwas schwer. Sie sind sehr distanziert. Fast ein wenig abweisend. Kaum mal ein Lächeln, kein Sorry Danke oder Bitte, egal in welcher Sprache, oder andere kleine Gesten der Höflichkeit oder Aufmerksamkeit. Es hemmt mich, Kontakt aufzunehmen oder Menschen anzusprechen, die mich nicht einmal anschauen. Aber vielleicht werden wir ja noch eines besseren belehrt.
Das Zentrum von Ventspilts liegt 2 bis 3 km vom Campingplatz entfernt. Man tut gut daran, das Rad zu nehmen. Vor allem, weil es hier so fantastische Radwege gibt.
Ich erreiche die Venta, den Fluß, der der Stadt ihren Namen gibt und der hier in die Ostsee mündet. Von hier starten Fähren nach Königsberg und nach Schweden. Auf der anderen Uferseite sieht man die Kräne des Industriehafens. Es riecht nach Kohle und Teer. Auch hier an der Venta ist viel für die Touristen gemacht worden. Ein ausgebauter Radweg führt entlang des Flusses in die Altstadt. Überall findet man Bänke zum Ausruhen und Blumenkästen. Da steht dann auch eine weitere Kuh. Riesig mit Kofferaufklebern symbolisiert sie das Reisen. Im Sommer 2002 nahm die Stadt an einer Cowparade teil. Bei diesem Event wurden insgesamt 26 lebensgroße Fiberglaskühe wurden von verschiedenen Künstlern weltweit gestaltet und anschließend verkauft. Seit 1999 nehmen jedes Jahr andere Städte daran teil. Insgesamt sind 5000 Kühe mit den verschiedensten Körperhaltungen und Botschaften so gestaltet worden. Einige der Kühe sind noch in der Stadt zu finden und auch im Stadtplan verzeichnet.
Obwohl Hauptsaison, ist wenig los in der Stadt. Streckenweise bin ganz allein. Der Marktplatz aus dem 17 Jahrhundert mit der großen Uhr ist verlassen. Markt ist täglich bis 14.00 Uhr. Den werden wir und dann morgen anschauen. So langsam mache ich mich auf den Rückweg. Es ist noch ein gutes Stück zu laufen und ich bin erst nach 18.00 Uhr zurück am Wohnmobil. Nach dem Abendessen gehen wir an den Strand. Es gibt wieder einen tollen Sonnenuntergang zu sehen und wir kaufen am Strand ein leckeres Eis für den Heimweg.