Tag 22: Pärnu Stadt und Valgeranna

 3. August 2019 in Estland ⋅ ☀️ 17 °C

Unser Stellplatz: Solar Caravan Park Pärnu

Pärnu

Die Nacht war sehr ruhig und eigentlich hätte ich gut schlafen sollen, wäre da nicht der permanent juckende Fuß gewesen. Aber am Morgen kann ich schon wieder auftreten, und wir verbringen viel Zeit mit „Klar Schiff machen“. Die Waschmschine wird noch einmal angeworfen, Wasser aufgefüllt und Abwasser entsorgt. Gegen Mittag sind wir so weit und starten mit dem Roller ins ca. 12 km Pärnu. Dort an der Brücke über den Fluß Pärnu, ganz in der Nähe des Yachthafens, befindet sich ein großer Parkplatz, den wir ansteuern. Auch zwei, drei Wohnmobile stehen hier, sei es für einen Stadtbesuch oder zum Übernachten. Wir parken den Roller und laufen entlang der Promenade am Fluß in die Stadt. Pärnu ist die größte Stadt Estlands- fächenmäßig, und liegt noch vor Städten wie Barcelona, Mailand oder Amsterdam und ist vergleichbar groß wie Berlin. Allerdings leben in Pärnu nur 60 Menschen auf dem Quadratkilometer. Die mittelalterliche Stadt ist Heil-und Seebad und Estlands wichtigstes Ferienziel und hat im Norden einen 3km langen Sandstrand. Schon um 1838 wurde die erste Badeanstalt in Pernau , so hieß die Stadt früher, errichtet. 1940 mussten die deutschen Bewohner Pernau verlassen, und die Stadt wurde von der Roten Armee besetzt und Teil der Sowjetunion. Auch in Zeiten der Sowjetischen Regierung lief der Bäderbetrieb in Pärnu weiter, obwohl der Fluss und die Seen verschmutzt waren. Mit der Erlangung der Unabhängigkeit wurde Pärnu wieder Estlands Sommerhauptstadt.
Die Altstadt, die wir wenig später erreichen, macht mit ihren farbigen Holzhäusern und ihrem reichlichen Blumenschmuck einen sehr gepflegten Eindruck. Es ist Samstagnachmittag, und viele Einheimische und Touristen haben sich draußen auf den Terrassen der Cafes und Restaurants eingefunden. Man sitzt beim Wein und Bier oder genießt schon mal eine kleine Mahlzeit.
Nachdem wir die Fußgängerzone mit den kleinen Läden in den farbigen Holzhäusern passiert haben, kommen wir zum Rathaus der Stadt. Strahlend gelb mit seinem weißen klassizistischen Dekor leuchtet es uns entgegen. Früher, so um 1700, war es das Wohnhaus eines reichen Bürgers. Um 1839 wurde es als Rathaus in Gebrauch genommen. Für die vielen Abgeordneten der Duma erwies es sich als zu klein. Und so wurde flugs noch ein Anbau im neobarocken Stil hinzugefügt, der heute immer älter als das eigentliche Rathaus geschätzt wird. Nach der Stadt- Duma von 1911 nutzen heute die Abgeordneten der Stadt diesen Teil als Versammlungsraum. Gegenüber des Rathauses begegnet uns die Statue des Begründers der estnischsprachingen Zeitung, J.V Jannsen. Ca.eine Million Menschen sprechen die estnische Sprache. Sie gehört zu den finno-ugrischen Sprachen, zu denen auch ungarisch, und finnisch gehört. Diese Sprachen sind durch die Aneinanderreihung von Konsonanten und besonders von Umlauten für uns sehr schwer zu verstehen und können nirgendwo abgeleitet werden. Selbst einfache Informationen entgehen uns so, wenn sie nicht auch in Englisch ausgewiesen sind.
Man sagt, wenn man die Statue von Jannsen berührt, erhält man nur gute Nachrichten. Na, dann wollen wir ihn mal anfassen.
Nicht weit davon entfernt befindet sich die prächtige, gelbe, barocke Katharinenkirche, von der man sagt; sie sei die Schönste in ganz Estland.
Wenig später sind wir an der barocken roten Elisabethkirche, aus der einladende Orgelmusik klingt. Beim Hineinschauen werden wir freundlich gebeten, doch hereinzukommen. Wir bleiben einen Moment und lauschen der Orgelmusik, die von einer der besten Orgeln Estlands ertönt. Später kommen wir zum roten Turm, der zur ehemaligen Stadtmauer gehört und als Gefängnis diente. Als der Park beginnt, drehen wir wieder ab, zurück in die Altstadt. Nach den zwei „Ks“( Kultur und Kirchen) steht uns nun der Sinn das „K-Quartett“ voll zu machen, mit dem 3.und 4. K nämlich mit Kaffee und Kuchen. Die finden wir in einen Cafe in der Fußgängerzone mit einem Platz in der Sonne und Logenblick auf die Vorbeischlendernden. Der Kuchen ist nicht gerade billig, dafür aber hausgemacht und schmeckt vorzüglich. Auch meine „Obversation“ der Vorbeigehenden ist bald von Erfolg gekrönt, als zwei nicht mehr ganz junge und auch nicht mehr ganz schlanke Damen in farbigen, selbstgehäkelten Röcken mit Muschelmuster vorbeischlendern. Ich taufe sie sofort “ die Topflappen-Girls“, denn genau wie ihre Röcke, sahen meine ersten gehäkelten Topflappen aus.
Aber eigentlich stehen die beiden nur stellvertretend für die Lebenseinstelltung vieler Estländer: Erlaubt ist was gefällt. Hauptsache es ist kreativ und individuell.
Als ich in das Café hineingehe, sehe ich diese These wieder bestätigt. Es ist witzig und phantasievoll eingerichtet, mit abstrakten Bildern an den Wänden und einem kleinen integrierten Kunstgewerbeladen, der auch alternative Produkte führt.
Beim Verlassen der Altstadt kommen wir wieder durch die Nikolai Straße und dem braunen Holzhaus, das sich als Geburtshaus von Nikolai Lenthie ausgibt. Da muss ich doch mal Google fragen, wer denn dieser Typ ist, dem man eine ganze Straße gewidmet hat.
Nach 2 Stunden geht es nun zurück zum Roller. Wir wollen noch nach Valgeranna und uns dort den Strand und den Stellplatz anschauen. Zu unserer Überraschung ist trotz super Wetter und Samstagnachmittag nicht viel los am Strand und von den 20 Stellplätze direkt am Strand, ist keiner besetzt. Es ist bereits August und scheinbar ist die Hauptsaison in Estland, ähnlich wie wir es auch in Schweden erlebt haben, bereits vorbei. Wir gehen noch ein wenig spazieren, bevor wir über Audru, wo wir ein paar Kleinigkeiten in einem „Tante -Emma-Laden“ kaufen, der aber über eine Scannerkasse und einen Leergutautomaten verfügt. Gegen Abend sind wir zurück am Platz und genießen noch ein wenig die Sonne vorm Wohnmobil, bevor sie hinter den Bäumen verschwindet und uns mit ziemlich niedrigen Temperaturen zurück lässt, die uns schon sehr bald ins Wohnmobil treiben. Heute Nacht haben wir sogar etwas die Heizung angestellt.

Tag 23: Jööpre, Lavasaare, Audru und Valgeranna

 4. August 2019 in Estland ⋅ ⛅ 17 °C

Eisenbahnmuseum

Mein Gott, heute habe ich den Urlaubsrekord im Lange-Schlafen aufgestellt. Es ist 10.00 Uhr als ich wach werde. Michael sitzt schon lange in der Sonne und studiert, wie meist morgens, „Findpingus“ . „Der Reisebericht ist aber noch gar nicht fertig,“ merkt er an, „und ich komne wieder nicht darin vor“, meint er lachend. Meine Güte. Hab ich Urlaub oder nicht? Ich werde ihn schon noch beenden.
Nach dem Frühstück, oder sollte ich besser Mittagessen sagen, folgen wir einem Tipp von Lea, unserer sehr netten Gastgeberin und starten ins Eisenbahnmuseum nach Lavassaare. Auf dem Weg dort hin wollen wir auch noch die orthodoxe Kirche in Jööpre und den Kräutergarten auf dem Thamme Bauernhof besuchen. Wieder einmal sind wir froh, den Roller dabei zu haben, denn auch mit E-bikes sind die Entfernungen zwischen den einzelnen Sehenswürdigkeiten ziemlich groß. Mit dem Rad würde daraus ziemlich schnell eine Tagesfahrt von 40 -50 Kilometern.
Wir fahren zunächst auf einer wenig frequentierten, gut asphaltierten Landstraße RIchtung Lavassaare. Wenige Kilometer weiter kann ich erst im letzten Moment an einer Schotterstraße auf einem kleinen Schild den Namen „Thamme“ erkennen. Dann sind wir aber schon vorbei. Macht nichts. Das machen wir auf der Rückfahrt, denn es soll dort auch ein Cafe geben. Auch die Kirche in Jööpre heben wir uns für den Rückweg auf.
Bald müssen wir von der schön geteerten Straße für einige Kilometer auf einem Schotterweg durch den Wald, um zum Museum zu kommen. Neben uns fährt die Museumseisenbahn und die Fahrgäste winken uns zu. Am Museum ankommen, stehen dort bereits viele Besucherautos, und ich bemerke nicht zum ersten Mal, dass man im Baltikum nicht mit einer bestimmten Vorstellung zu Sehenswürdigkeiten etc. gehen sollte, weil es nämlich immer ganz anders ist. So auch hier. Im ersten Moment habe ich das Gefühl, ich komme auf einen Schrottplatz. Erst als wir das große Eisentor durchschritten haben, bemerke ich die vielen Lokomotiven und Waggons. Die meisten jedoch unrenoviert. In einem Waggon am Eingang befindet sich die „Kassa“. Allerdings nur zum Erwerb eines Tickets für die Fahrt mit der Bahn. Der Eintritt im Freiluftmuseum ist frei. Die Rundfahrt soll pro Person 15 Euro kosten. Das hatte ich vor einer Woche in Ventsspils für 3 Euro schon etwas billiger. Wir verzichten darauf und schauen uns dafür die Züge, Lokomotiven und Waggons an. Mit viel Beklemmung sehen wir die Waggons, mit denen 1940 Menschen nach Sibirien deportiert und zu Unzähligen in diese Holzwagen ohne Fenster und Toilette eingepfercht wurden.
Die alten Züge bieten tolle Motive für unsere Fotos, und selbst die sich in Rost umwandelnde Farbe von Zugwaggons ergeben aufregende Bilder. So sind wir beide eine Zeitlang mit Fotografieren beschäftigt. Außer den alten Eisenbahnen gibt es nichts mehr zu entdecken und so fahren wir nach Jööpre zur alten Kirche. Leider kann man sie heute nicht von innen besichtigen. Das geht nur samstags, und das war gestern.
Den Kräuterhof können wir wenig später einfach nicht wieder finden. Irgendwie sind wir wohl auf einer anderen Straße zurückgefahren. Wir geben die Suche auf und fahren dafür nach Audru. Unterwegs halten wir an einem Supermarkt, Marke „Tante- Emma“. Das Brot ist mal wieder alle. Erst beim Betreten des Ladens registrieren wir, dass ja heute Sonntag ist. Im Urlaub verschmelzen die Tage und wir vergessen häufig Tag und Datum. Hauptsache, wir vergessen die Fähre nicht. Der Laden hat trotz Sonntag von 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet.
Durch Audru sind wir gestern schon einmal gefahren und da ist mir der schön angelegte Park aufgefallen, in dem wir wenig später spazieren gehen. Es ist ein Fledermauspark und es gibt hier viele Kleintiere und Insekten sowie Wildpflanzen. Auf die Begegnung mit Insekten bin ich gerade nicht so scharf. Mein Fuß im geschlossenen Schuh juckt immer noch höllisch. Die Fledermäuse scheinen noch zu schlafen. Mitten im Wald dann eine Freiluftbühne und Zuschauerbänke. Das hätte ich hier am wenigsten vermutet.
Beim Besuch der kleinen Kirche von Audru, muss ich ein wenig schmunzeln beim Eintritt. Auf allen Bänken liegen Kissen. Jedes ist anders und beschert seinem Besitzer einen weichen Sitzplatz während des Gottesdienstes. Aber der Pastor sieht natürlich auch genau, welche Kissen nicht besetzt sind.
Jetzt habe ich Kaffeedurst. Da das mir dem Bauernhofcafé nicht geklappt hat, fahren wir nach Valgeranna in das Strandcafé und trinken unseren Kaffee mit Blick auf das Meer. Die Stellplätze am Meer sind leer und auch am Strand ist wieder wenig Betrieb. Wir fahren zurück zum Camping. Am Abend mache ich seit längeren längerem mal wieder eine Walkingtour durch die Gegend. Es gibt hier wirklich sehr viel Gegend. Und dazwischen vereinzelte Häuser. Aus einem der Häuser kommt ein älterer Mann und spricht mich auf estnisch an. Er sieht ein wenig ärgerlich aus. Oh je! Was habe ich falsch gemacht? Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich nicht weiß, was er von mir will. Da redet er plötzlich in gebrochenem Deutsch mit mir und will wissen, was ich da mit den Stöcken mache. Ich erkläre es ihm. Er schaut etwas verwundert. Dann will er noch wissen, wo ich in Deutschland zu Hause bin. Deutsch , erzählt er mir, hat er in der Schule gelernt und russisch auch. Wir halten noch ein wenig Small Talk und dann walke ich zurück zum Wohnmobil. Morgen geht es weiter nach Riga und ich bin schon sehr gespannt auf die Stadt.

Tag 24: Das Beste kommt zum Schluss- Riga

 5. August 2019 in Lettland ⋅ ⛅ 17 °C

Unser Stellplatz: Riverside Camp Riga

Heute morgen müssen wir mal wieder pünktlicher aus den Federn. Schließlich sind wir ja nicht nur zum Spaß unterwegs. Nein, Spaß beiseite, heute soll es nach Riga gehen. Damit wir am Nachmittag noch Zeit für einen Stadtbummel haben, wollen wir um die Mittagszeit dort sein. Diese Überlegung erweist sich im Nachhinein als gute Entscheidung, denn wir bekommen auf dem Riverside-Camping den allerletzten Platz ohne Reservierung. Alle anderen noch leeren Stellflächen sind reserviert.
Bevor wir um 9.00 Uhr aus Pärnu wegfahren, verabschieden wir uns noch von Lea, der sehr netten Stellplatzbetreiberin. Lea ist gerade etwas betrübt, denn der Fahrer des roten Kastenwagens schräg hinter uns, hat eine etwas negative Beurteilung über den Stellplatz in der App „Park4night“ gegeben, die viele Wohnmobilisten zur Stellplatzsuche benutzen. Er moniert die 4 Toiletten, die sich in den Duschen befinden, als zu wenig an. Dabei hat doch fast jeder seine eigene Toilette dabei. Lea erzählt uns, dass sie und ihr Mann ein großes Risiko eingegangen sind und viel Geld investiert haben. Der Platz ist jetzt in der 2. Saison, und sie mussten erst einmal schauen, ob und wie der Platz von den Urlaubern angenommen wird, bevor noch mehr gebaut und investiert wurde. Dann erzählt sie uns noch, dass die Saison in Estland mal gerade vier Monate dauert, von Mitte Mai bis Mitte Sptember. Nur im Juli ist Hochsaison. Wir trösten Lea etwas und dann geht es in Richtung Pärnu Stadt. Dort müssen wir leider noch etwas tanken. Der Preisunterschied beim Diesel zwischen Estland und Lettland macht gut 20 Cent aus und in Litauen ist es noch günstiger. Aber mit Nix im Tank kommen wir sicher nicht weiter. Wir tanken für 50 Euro. Damit kommen wir gut bis Riga und auch noch erwas weiter. Von Pärnu aus geht es in Richtung Rile, wie Riga hier in Estland heißt. Auf der Fahrt merken wir, daß die Heide bereits blüht. Wir verlassen Estland und weiter geht es in Lettland auf der A8 durch Salacgriva und vorbei an Tuja, immer dicht an der Ostsee entlang, die ein um das andere Mal blau glitzernd durch die angrenzenden Bäume schimmert. Wir haben super Wetter. Strahlend blauer Himmel und um die 22 Grad . Die besten Voraussetzungen für einen herrlichen Stadtbummel. Aber dazu müssen wir erst einmal da sein. Kurz vor Riga
fahren wir von der A8 ab und auf einer mehrspurigen Straße nach Riga hinein. Es geht mitten durch die Altstadt und Michael muss seine Augen überall haben. Elektrobusse fahren mit Oberleitungskontakt, Fußgänger rennen über Zebrastreifen, Pkws drängen sich dazwischen und nehmen die Vorfahrt. Viel Verkehr und „Stop and Go“. Über 15 km geht diese belebte Zufahrt in die Innenstadt. Endlich sind wir an der Vanšu Brücke, die sich imposant mit ihren Seilen über die blau leuchtende Darguva spannt. Die “ Tallink „, die Fähre zwischen Riga und Stockholm liegt gerade vor Anker. Hinter der Vanšu- Brücke fahren wir rechts ab. Es wird mit einen Schlag ruhig und entspannt, da auf dieser Straße kaum Verkehr ist. Nach kurzer Zeit taucht links das „City Camp“ auf. Dort wollen wir aber nicht hin, sondern in das noch ca. einen Kilometer entfernte „Riverside Camp“. Das ist zwar weiter von der Altstadt entfernt, aber man steht mit Blick auf die Dauguva. Die Entfernung zur Altstadt macht uns nichts, da sowieso die Räder zum Einsatz kommen sollen. Als wir ankommen, sieht es noch erfreulich leer aus, aber überall stehen Eisengitter. Eine freundliche junge Frau, die gerade einem Wohnmobil einen Platz zuweist, fragt uns, ob wir reserviert haben. Wir verneinen. „Oh“, meint sie und schaut auf unseren Anhänger, “ no Reservation and so long. But I have a nice place for you ,“ und damit zeigt sie auf einen der größten Plätze mit direktem Blick auf den Fluß. Es ist der letzte freie Platz. Haben wir ein Glück! Gut, dass wir so pünktlich aufgebrochen und bereits um kurz vor 12.00 Uhr angekommen sind. Alle nach uns kommenden Fahrzeuge ohne Reservierung müssen wieder wegfahren. Und das sind einige. Denn morgen Abend gibt es ein „Rammstein“ Konzert auf der Insel in der Dauguva, nicht weit von uns entfernt. Zelter, Radfahrer und sehr viele Campingbusse suchen daher zusätzlich eine Unterkunft.
Wir trinken einen schnellen Kaffee. Michael holt die Räder vom Hänger, und schon sind wir auf dem Weg in die Altstadt. Bei der Anmeldung sind wir mit Info-Material gut versorgt worden und haben auch ein paar Tipps bekommen. Über die stark befahrene Brücke führt ein Radweg, den wir, wie andere auch, entgegen der Fahrtrichtung benutzen, weil das Queren der Straße nicht so einfach ist. Am Ende der Brücke in der Nähe des Schlosses haben wir uns einen kleinen Park ausgesucht. Dort wollen wir die Räder abstellen und die Stadt weiter zu Fuß besichtigen. Das macht auch Sinn, denn die kleinen und zum Teil engen Kopfsteinpflaster- Straßen sind bei diesem Wetter gut besucht, und Radfahren würde eher zu einem Hindernisfahrt werden. Wir lassen uns ein wenig treiben und kommen zunächst am Schloss und an einer Kirche vorbei. Schon am Park haben wir die ersten toll renovierten Häuser im Jugendstil bewundern können und Straßenzeile um Straßenzeile besteht aus diesen Baudenkmälern. Wir kommen zu den drei Brüdern. Drei aneinander gebauten Häuser aus verschiedenen Epochen. Das älteste ist die Nr.17, ein Steingebäude und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Nr. 18 wurde im Stil des Manierismus gebaut und Nr 21. hat einen barocken Giebel. Alle Häuser auch von Innen zu besichtigen. Dann sieht man die Luke in der Mitte, durch die Waren in die oberen Stockwerke gezogen wurden. Genau gegenüber den „Drei Brüdern“ ist die Tür zu Rigas ältestem Weinkeller geöffnet und lädt auch noch heute Gäste zum Eintreten ein. Der Weinkeller liegt an der kleinsten Straße RIgas. Vor den „Drei Brüdern“ steht ein kleines Touristenbähnchen. Vom Fahrer erfahre ich, dass die Bahn alle Sehenswürdigkeiten der Altstadt abfährt, 7 Euro pro Person kostet, ca 40 Min unterwegs ist und immer vom Domplatz aus startet. Das ist genau das Richtige für uns , denn die „Hopp- on- Hopp -of -Busse“ können nur an der Peripherie entlang fahren und kommen nicht in die Altstadt. Wenige Minuten später erreichen wir den Domplatz und bewundern wieder die umgebenden Gebäude, einschließlich des Doms. Bis zur Abfahrt des Bähnchens schlendern wir noch durch die Gassen. Eine halbe Stunde später fährt die Bahn mit uns durch die Altstadt und zu allen Sehenswürdigkeiten. Über Kopfhörer bekommen wir wieder alles Wissenswerte erzählt. Besonders gefällt uns das Schwarzhäupterhaus, ein in früheren Zeiten als Versammlungshaus der Kaufmannsgilde genutztes Gebäude. Zerstört und gesprengt wurde es 1940 und innerhalb von 7 Jahren von 1993 bis 1999 anlässlich der 800 Jahrfeier der Stadt wieder rekonstruiert. Gegenüber des Schwarzhäupterhauses befindet sich das Rathaus der Stadt und die Statue des Rolands, das Symbol für die Städtische Freiheit. Das Schwarzhäupterhaus kann besichtigt werden. In ihm befindet sich auch die Touristinfo, und von hier aus starten auch fast alle Stadtbesichtigungen, sei es zu Fuß oder mit dem Rad. Alle Sehenswürdigkeiten, die wir mir der Bahn besichtigt haben, hier aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.
Nach der Bahnfahrt kehren wir ein, um etwas zu trinken. Dann besuchen wir zu Fuss noch einmal den Rathausplatz, die kleinen Märkte, die wir gesehen haben und kehren in der St.-Johannis-Kirche zu einer kurzen Besinnung bei Orgelmusik ein. Hier ist der Eintritt im Gegensatz zum Dom (5 Euro) kostenlos. Nur ein aufgestelltes Körbchen bittet unauffällig um eine freiwillige Spende. Inzwischen ist der Nachmittag mehr als fortgeschritten, und wir sind inzwischen zu dritt. Richtig! Der kleine Hunger ist wieder dabei und konnte auch nicht von der Mohnschnecke, die ich eingesteckt habe, in die Flucht geschlagen werden. Vorher allerdings geht es noch zur Freiheitsstatue, deren drei goldene Sterne in den erhobenen Händen, die drei Provinzen Lettlands symbolisieren. Durch den angrenzenden und wunderschön gestalteten Kronvalda Park fließt der Kanal und kleine Boote bieten auf ihm eine Kanaltour an. Das sieht wunderschön aus und ist etwas für den nächsten Tag. Wir gehen durch den Park zurück zu unseren Rädern und fahren mit ihnen zum Restaurant Starogord direkt unterhalb der Vanšu Brücke an der Dauguva zum Essen. Diesen Tipp haben wir am Campingplatz erhalten. Wir sitzen schön und das Essen ist gut und preiswert. Es ist schon nach zwanzig Uhr, als wir zum Wohnmobil zurückkommen. Noch ein wenig Abendsonne auf den Liegen der Terrasse genießen, duschen und dann sind wir auch geschafft von diesem erlebnisreichen Tag. Morgen schauen wir uns die Markthallen an und machen eine Kanaltour. Unseren Stellplatz haben wir um eine Nacht verlängert. Dafür werden wir auf Vilnius verzichten. Auch für Chris und Gabi, die morgen nach Riga kommen, wollen, haben wir einen Platz reserviert, denn ohne Reservierung bekommen sie zu ihrer Ankunftszeit bestimmt nichts mehr. Als es dunkel ist, gehen wir noch einmal auf die Terrasse und schauen über die Dauguva auf die Altstadt und die beleuchtete Brücke.

Tag 25: Riga-Markthallen und Kanalfahrt

 6. August 2019 in Lettland ⋅ ⛅ 21 °C

Markthallen Riga

Wir sind relativ früh auf und rüsten gleich nach dem Frühstück die Räder mit Packtaschen aus, denn wir wollen per Rad zu den Markthallen fahren und einkaufen.
Die erste Hürde mit den Rädern erleben wir schon an der Vanšu-Brücke. Wir wollen auf der anderen Brückenseite in die Stadt fahren, um so am Ende in Richtung Markthallen abbiegen zu können. Leider gibt es nur eine Unterführung. Das bedeutet, die Räder über Treppen rauf und runter zu transportieren, da die Schienen für unsere Räder zu nah an der Wand angebracht sind. Dieser Radtransport soll heute nicht der letzte sein auf unserem Weg zu den Markthallen. Es ist nicht einfach, die Hauptzufahrtsstraßen zu überqueren. Oft ist eine lange Strecke zu laufen oder zu fahren, bis man eine Unterführung oder einen Fußgängerüberweg findet. Vom Radfahren auf der Straße würde ich eher abraten bei dem Verkehr. Dafür gibt es Rad – und Fußwege, die sich Fußgänger, Radfahrer und vermehrt auch die Benutzer von Elektorollern teilen müssen. Auf der Hinweg haben wir Glück. Auf dem Weg entlang der Dauguva sind noch nicht viele Fußgänger unterwegs und wir können entspannt radeln. Am Fluß liegen mehrere Passagierschiffe, die Ausflugsfahrten auf dem Fluss anbieten. In die Kañnäle fahren sie nicht. Dafür sind sie zu groß und die Brücken zu niedrig. Als die Markthallen auftauchen, stellt sich für uns das Problem, auf die andere Straßenseite zu gelangen. Wir müssen ein ganzes Stück wieder zurückfahren, bis eine Unterführung kommt. Dann geht es auf dem Bürgersteig zwischen vielen Passanten erneut zurück zu den Markthallen. Dieses Mal auf der richtigen Seite. Wir schieben mehr als wir fahren: die vielen Menschen, die hohen Bordsteinkanten, Fußgängerampeln usw. Endlich haben wir die Hallen erreicht und einen Laternenparkplatz für die Räder gefunden. Die Markthallen oder Rigas Zentralmarkt, wie es auch heißt, wurden 1930 in den Hallen, die ehemals als Zeppelin Hangar von der deutschen Armee in Kurzeme genutzt wurden, eröffnet. Dazu riss man am heutigen Standort die alten Speichergebäude am Kanal ab, baute die Keller aus und setzte die Hallen darauf. Insgesamt fünf dieser Hallen gibt es. In den Kellern wurde eine unterirdische Stadt aus Beton gebaut mit insgesamt 337 langen Gängen und 27 Tiefkühlhäusern. Außerdem legte man Aus- bzw. Eingänge zum Kanal an, wo Waren über den Kanal angeliefert werden konnten. Heute sieht es sehr ungepflegt dort aus. An den Kelleröffnungen sieht man Müllcontainer und Müllpressen stehen, wenn man, wie wir, am Kanal entlang geht.
Vor den Hallen finden wir zunächst einen riesengroßen Obst – und Gemüsemarkt. Hier gibt es wirklich alles und zu einem kleinen Preis. Die Pfifferlinge und Blaubeeren sind wieder stark vertreten und auch die bei uns weniger bekannten säuerlichen Moosbeeren, die die Letten sehr lieben.
Wir betreten die erste Halle, Hier werden von Blumenzwiebeln über Kräuter, Tiernahrung, Samen, Tee, Gewürze, Trockenfrüchte usw. auch jede Menge Souvenirs und Kitsch angeboten. In der nächsten Halle sind viele kleine Imbissstände. Von Kaffee bis Tapas, von Kuchen bis Braten, vom frischgebackenem Fladenbrot bis zu Schmalzgebackenem, hier kann man alles probieren und sich von Stand zu Stand durchfuttern. Dann gibt es die Halle, die voller Fleischangeboten ist, und in der letzten Halle werden Fische und Schalentiere angeboten. Ein solches Übermaß haben wir selten gesehen. Wer soll das alles kaufen? Michael liebäugelt schon wieder mit dem Steakfleisch und ich mit dem Lachs. Nur, wenn wir diese Dinge kaufen, müssen wir den ganzen Weg zurück zum Wohnmobil. Wir können die frischen Lebensmittel nicht einen halben Tag durch die Stadt mitschleppen. Wir müssen uns entscheiden: Einkaufen oder Stadtbummel und Schifffahren. Wir kaufen ein und zwar richtig und fahren danach zum Wohnmobil zurück, um uns etwas auszuruhen. Nach dem Nachmittagskaffee soll es weitergehen. Vollgepackt kommen wir am Wohnmobil an. Das Essen für die nächsten Tage ist gesichert. Michael fühlt sich schon seit heute Morgen nicht gut und möchte nicht mehr so gern am Nachmittag mit Boot fahren. Das möchten aber Chris und Gabi, die inzwischen auch vom Gauja Nationalpark in Riga eingetroffen sind. So fahren wir zu dritt mit dem Rad zum bekannten Rad-Parkplatz am Schloss und gehen zu Fuß durch den Park zu den Bootsanlegestellen. Die „Darling“ ist unser Boot. Es ist ein kleines Kajütboot von 1907 mit Platz für ca. 20 Personen. Die Fahrt soll eine Stunde dauern und kostet 18 Euro. Wir suchen uns einen Platz ganz hinten im Freien. Doch noch vor dem Start fängt es an zu regnen. Wir lassen die durchsichtigen Planen herunter und werden vom Kapitän noch mit Decken versorgt. Dann startet die Fahrt durch den Kanal und wir können die Altstadt aus einer ganz anderen Perspektive erleben. Auch an den Markthallen kommen wir vorbei, bevor es auf die Dauguva geht und wir sogar das Riverside- Camping , wenn auch aus einiger Entfernung passieren, bevor es wieder zurück in den gemütlichen Kanal geht. Viel zu schnell ist die Stunde herumgegangen. Danach schlendern wir durch die Stadt, die sich am Nachmittag unter grauen Wolken duckt, bevor wir in einem Restaurant mit lettischer Küche einkehren. Später, zurück auf dem Campingplatz und am Wohnmobil, gibt es etwas auf die Ohren. Ab 21.00 Uhr spielt, keinen Kilometer von uns entfernt auf der Insel in der Dauguva, „Rammstein“ , und das kriegen wir voll mit. Auch das Feuerwerk und auch die Spätheimkehrer vom Konzert, deren Bullitüren in der Nacht „ritsch- ratsch“ machen, wenn sie geöffnet werden.